Seitdem die DTM im Jahr 2000 neu gegründet ihren Betrieb aufnahm, gehörte Timo Scheider zum festen Bestandteil der Tourenwagenserie. Nur im Jahr 2005 pausierte er für ein Jahr und widmete sich kurzzeitig dem GT-Sport, ehe Scheider ein Jahr später zu Audi wechselte und sich aufmachte, ein eigenes Denkmal in der DTM zu erschaffen. Nach 181 Rennen, 7 Siegen, 11 Pole Positions und den beiden Gesamtsiegen 2008 und 2009 ist diese Karriere nun vorbei. Eine Karriere, die für Scheider weit mehr bedeutete, als all jenes, was der Fan vor der Kamera und auf der Rennstrecke mitbekam.

In Hockenheim stellte sich Scheider kurz nach seiner emotionalen Pressekonferenz noch einer Medienrunde, bei der auch Motorsport-Magazin.com zugegen war. Dort gestattete er einen Blick hinter die Fassade des Rennfahrers. Und trotz aller Wehmut, die der unfreiwillige Abschied aus der DTM mit sich brachte - Scheider wirkte mit sich absolut im Reinen. Der dienstälteste DTM-Pilot erlebte in seiner Zeit selbst eine persönliche Entwicklung.

2008 wurde Timo Scheider erstmals DTM-Champion, Foto: DTM
2008 wurde Timo Scheider erstmals DTM-Champion, Foto: DTM

"Ich habe das Leben der DTM gelebt. Von der ersten Sekunde im Jahr 2000 an bis heute bin ich jeden Tag gereift. Ich habe Fehler gemacht, dazu gelernt. Ich habe bis heute immer wieder Fehler gemacht und Gott sei Dank daraus lernen dürfen, denn niemand ist perfekt. Niemand hat diese 100 Prozent. Man muss lernen, dass man im Leben und im Motorsport nicht nur oben sein kann", erklärt Scheider.

Besonders der inzwischen 37-Jährige musste in den letzten Jahren erfahren, wie schnell auf große Erfolge niederschmetternde Niederlagen folgen können. 2008 und 2009 dominierte er die DTM beinahe nach Belieben und fuhr Kreise um die Konkurrenz. In den sieben Jahren danach gelangen ihm insgesamt nur noch zwei Siege, der letzte in Hockenheim vor einem Jahr. Der einst gefeierte Held - angekommen am Ende des Feldes. Eine Zeit, die bei Scheider zum Nachdenken anregte.

DTM ist nicht alles

"Ich habe dann auch irgendwann festgestellt, dass nicht nur die DTM mein Leben bestimmt. Man ist irgendwie in einer Art Knubbel drin und glaubt, das sei alles", so Scheider. "Aber es gibt auch noch ein Privatleben und andere Momente, die neben dem Motorsport wichtig. Die muss man auch verarbeiten und mitnehmen, damit man im Motorsport seine Leistung abrufen kann. Das ist manchmal schwierig", erläutert Scheider die mentale Komponente eines Rennfahrers auch abseits der Rennstrecke.

Diese Dinge jedoch passieren hinter den Kulissen. In einem Bereich, der den Fahrer nicht als Sportler abbildet, sondern als Mensch. So, wie auch der Rennfahrer am Steuer nur ein Mensch ist. Scheider erklärt, dass für derartige Dinge jedoch kein Platz sei. "Das Umfeld und die Fans kriegen das meiste davon nicht mit. Aber trotzdem wird man die Leistung abrufen müssen oder es wird erwartet, dass man die Leistung abruft. Was dann oftmals hinter der Gardine passiert, kriegen die wenigsten mit. Deshalb ist die DTM ein extrem hartes Pflaster geworden", schildert er seine Eindrücke der vergangenen Jahre.

Seine Abschieds-PK verlief für Timo Scheider sehr emotional, Foto: Audi
Seine Abschieds-PK verlief für Timo Scheider sehr emotional, Foto: Audi

So musste Scheider nach den zuletzt eher schlechten Ergebnissen viel Kritik einstecken. Als Person der Öffentlichkeit werde man nun einmal nur an den Resultaten gemessen, weiß Scheider. "Ohne mehr zu wissen, als das pure Ergebnis und das, was man im Rennen gesehen hat - das hat mich vielleicht manchmal schon mitgenommen. Man würde gerne die Details und Hintergründe von verschiedenen Situationen im Rennen durch die Dinge abseits des Motorsports erklären. Aber das geht nun einmal eben nicht. Das ist das Leben eines Rennfahrers", blickt er auf das harte Brot eines Rennfahrers, von dem jederzeit Leistung erwartet wird.

Rennsport und die Auswirkungen auf das Privatleben

Diese Erwartungshaltung in Verbindung mit dem Profi-Dasein sorgte daher auch mehr als nur einmal für Belastungen im Privatleben. "Der Fokus geht als Profi dahin, dass du dein Leben ganz klar nach diesem einen Thema ausrichtest. In der DTM ist und war es seit Jahren so hart und so unglaublich fordernd. Auch in vielen Momenten, die der Fan draußen gar nicht sieht und die außerhalb der Rennstrecke passieren. Und da gehört eben mehr dazu als nur im Kreis und Rennen zu fahren", so ein emotionaler Scheider.

Diese Erfahrungen forderten ihren Tribut. "Auch wenn das von zu Hause aus alles klar war und feststand, dass das der Fokus in meinem Leben ist und in den nächsten Jahren sein wird - es ist trotz alledem immer wieder so, dass es Momente gibt, wo man Lehrgeld bezahlt oder Emotionen mitnimmt, die vielleicht auch mal im Privatleben die Ellbogen bedeuten", berichtet Scheider. Daher weiß er auch ganz genau, an wen er nach all den Jahren seinen Dank richten muss. "Danke an die Eltern, die in vielen Jahren auch die schlechten Momente mitbekommen haben. Wenn von draußen Dresche kam und die Presse ihre Meinung kundgetan hat. Das ist part of the game im Rennfahren. Damit muss man umgehen können, aber das ist nicht immer schön", mahnt er.

Nun ist seine Zeit in der DTM vorbei. Sicher nicht mit einem erwünschten Ende. Dennoch weiß Scheider um die Besonderheit seiner Laufbahn. "Fakt ist, dass ich glaube ich auf eine erfolgreiche Karriere in der DTM zurückblicken kann. Ich habe das eine oder andere hier hinterlassen. Menschen hinterlassen, die ich mag und die mir ans Herz gewachsen sind. Es gibt aber auch ein paar, bei denen ich nicht so böse bin, dass man die nicht mehr so oft sieht. So ist das Leben. So ist es im Privatleben auch. Ich kann stolz sein und ich bin auch stolz auf meine Karriere", stellt Scheider klar.

2015 gewann Timo Scheider in Hockenheim zuletzt ein DTM-Rennen, Foto: DTM
2015 gewann Timo Scheider in Hockenheim zuletzt ein DTM-Rennen, Foto: DTM

Zukunft ist offen

Mindestens ein weiterer Renneinsatz steht für Scheider in diesem Jahr noch an. Am 25. November bestreitet er das Saisonfinale der Rallycross-WM, in der sich sein langjähriger Markenkollege Mattias Ekström am Wochenende zum Champion krönte. Ob und wie es danach weitergeht, sei jedoch offen. "Wir werden in der nächsten Zeit sicher einiges zu besprechen haben. Es wird einige Telefonate und Meetings geben", kündigt er an.

"Aber ich werde jetzt am 10. November 38 Jahre alt. Ich hatte immer das Ziel, mich mit 40 zu entscheiden. Jetzt hat man mir diese Entscheidung in der DTM vorzeitig genommen. Jetzt ist es an der Zeit, dass ich für mich die nächsten Jahre plane und das geht auf jeden Fall über das Alter 40 hinaus", richtet er den Blick nun in die Zukunft. Man kann ihm nur alles Gute wünschen.