Mit den neuen Erfolgsballast-Regeln soll die DTM 2016 wieder ausgeglichener werden. Nach der Markenrudelbildung des vergangenen Jahres eine willkommene Abwechslung, um für mehr Spannung und auch Streuung auf der Strecke zu sorgen. Um das sicherzustellen, werden die Performance-Gewichte ab sofort nach dem Resultat des Qualifying vergeben - und nicht mehr nach dem Ergebnis des vorangegangenen Rennens. Erster Kniff im Reglement: Es gilt dabei nicht die jeweils beste Rundenzeit, sondern die Sektoren-Bestzeit des jeweils schnellsten Fahrers von Mercedes, Audi und BMW.

Anhand dieser theoretischen Bestzeit wird festgelegt, wie viele Kilo die Fahrer der jeweiligen Marke zu- oder abladen müssen. Heißt im Klartext: Die acht Piloten eines Herstellers fahren in dieser Saison stets mit dem gleichen Autogewicht. Das soll die Attraktivität der internen Duelle fördern und für weniger Verwirrung sorgen. Nach altem Reglement konnten etwa Fahrer mit Erfolgs-Ballast bestraft werden nur weil ein Markenkollege erfolgreich war.

Wird die DTM mit den neuen Regeln wirklich besser?, Foto: BMW Motorsport
Wird die DTM mit den neuen Regeln wirklich besser?, Foto: BMW Motorsport

Vieles ähnlich und doch alles neu

Der neue Modus gilt ab dem ersten Qualifying beim Saisonauftakt in Hockenheim und zieht sich bis zum Jahresende durch. Das Gewicht gilt für das anschließende Rennen sowie für das darauffolgende Qualifying - auch wochenendübergreifend. An den Mindest- und Höchstgewichten hat sich nichts verändert. 1.140 Kilo sind das höchstmögliche Gewicht für die Boliden. Die Mindestlast beträgt 1.105 Kilo für Mercedes und Audi beziehungsweise 1.097,5 Kilo für BMW.

Soweit verständlich. Nun stellt sich aber die Frage, nach welchem Schlüssel berechnet wird, mit wie viel Zusatzgewicht die Hersteller belegt werden. Hier wird die Angelegenheit ziemlich knifflig und für den Zuschauer am Fernseher nicht mehr ersichtlich. Maßgeblich für die Verteilung ist nämlich die prozentuale Abweichung zwischen den Herstellern. Zwei Schwellwerte sind hier entscheidend: Beträgt die Abweichung der theoretischen Bestzeit weniger als 0,1 Prozent? Sind es mehr als 0,1 Prozent, aber weniger als 0,2 Prozent? Oder sind es mehr als 0,2 Prozent?

Angesichts dieses Berechnungsschlüssels ergeben sich insgesamt 6 Szenarien, die über die Verteilung des genauen Erfolgsballasts für das nachfolgende Rennen entscheiden. Wir stellen diese Szenarien im Einzelnen vor.

Die 6 Szenarien des Erfolgsballasts

Szenario 1
Alle drei Hersteller liegen innerhalb von 0,1 Prozent der Sektorenbestzeit: Kein Hersteller muss Gewicht zu- oder entladen

Szenario 2
Zwei Hersteller liegen innerhalb von 0,1 Prozent der Sektorenbestzeit, der dritte ist zwischen 0,1 und 0,2 Prozent langsamer: Fahrer der zwei schnellsten Hersteller bekommen + 2,5 kg, Fahrer des dritten Herstellers - 2,5 kg

Szenario 3
Zwei Hersteller liegen innerhalb von 0,1 Prozent der Sektorenbestzeit, der dritte ist mehr als 0,2 Prozent langsamer: Fahrer der zwei schnellsten Hersteller bekommen + 5,0 kg, Fahrer des dritten Herstellers - 5,0 kg

Szenario 4
Zwei Hersteller sind zwischen 0,1 und 0,2 Prozent langsamer als die Sektorenbestzeit des schnellsten Herstellers: Fahrer des schnellsten Herstellers bekommen + 2,5 kg, Fahrer der anderen beiden Hersteller - 2,5 kg

Szenario 5
Ein Hersteller liegt zwischen 0,1 und 0,2 Prozent der Sektorenbestzeit, der dritte ist mehr als 0,2 Prozent langsamer: Fahrer des schnellsten Herstellers bekommen + 5,0 kg, Fahrer des zweitschnellsten Herstellers bleiben unverändert, Fahrer des drittschnellsten Herstellers - 5,0 kg

Szenario 6
Zwei Hersteller sind mehr als 0,2 Prozent langsamer als die Sektorenbestzeit des schnellsten Herstellers: Fahrer des schnellsten Herstellers bekommen + 5,0 kg, Fahrer der anderen beiden Hersteller - 5,0 kg

Das neue Erfolgsballast-System ist nur schwer verständlich, Foto: Mercedes-Benz
Das neue Erfolgsballast-System ist nur schwer verständlich, Foto: Mercedes-Benz

Ein kleines Rechenbeispiel

Da das System alles andere als leicht verständlich ist, bietet die DTM selbst auf ihrer Website ein Rechenbeispiel zur besseren Veranschaulichung an: ‚Dem besten Fahrer gelingt eine theoretische Runde von 1:27.678 Minuten. Um unter dem Wert von 0,1 Prozent zu bleiben, darf der Abstand nicht größer als 0,087 Sekunden sein; um unter dem Wert von 0,2 Prozent zu bleiben, darf der Abstand nicht größer als 0,175 Sekunden sein.´

Bleibt das Format wirklich so?

Ja. Änderungen wird es nicht mehr geben, wie Motorsport-Magazin.com weiß. Das Sportliche Reglement ist bereits fixiert, erhält derzeit den finalen Abschrieb und wird innerhalb der nächsten zwei Wochen veröffentlicht. Im Gegensatz zur Formel 1 ist nicht zu erwarten, dass es während der Saison noch einmal Änderungen geben wird. Das DTM-System ist zwar kompliziert, wurde aber grundsätzlich von allen Beteiligten und auch den Fans gewünscht. Sprich: Erfolgs-Ballast anhand des Qualifying und vor jedem Rennen, statt rein aufgrund der Rennergebnisse und nur pro Rennwochenende.

Glock: Man muss nicht alles erklären

Timo Glock war der Meinung, dass es aus Sicht der Zuschauer sowieso nicht so wichtig sei, die Abläufe zu 100 Prozent verstehen zu müssen. Zu Motorsport-Magazin.com sagte der BMW-Pilot: "Ich tue mir schon schwer zu erklären, wie das System funktioniert. Am Ende ist das aber egal. Man muss es in meinen Augen nicht erklären. Am Ende zählt guter Rennsport. Es interessiert keinen, wenn wir hier geile Rennen haben und die Bude voll ist, ob wir jetzt fünf Kilo hoch- oder runterschrauben."

Glock weiter über die Änderung, die besseren Sport bringen soll: "Was der Fan sehen will, ist Rennsport. Wir müssen nicht alles bis ins Detail zu 100 Prozent erklären. Derjenige am Fernseher und derjenige, der auf der Tribüne sitzt, wird heimfahren und sagen: ‚Das war geil!´ Und ich hoffe, dass wir damit einen Schritt in die richtige Richtung machen. Klar, es ist kompliziert. Aber wenn sich's auszahlt, ist es okay."

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Auf dem Papier sieht das System unglaublich kompliziert und kaum verständlich aus. Sektorenbestzeiten in Prozent umrechnen, um dann Kilogramm draufzuschlagen oder abzuladen - das sind einfach zu viele Variablen, um es einfach erklären zu können. Grundsätzlich sage ich: Sport muss einfach sein, sonst funktioniert er nicht. In diesem Fall ist es etwas schwieriger, weil Erfolgsballast per se schon nicht ergründlich sein kann für den Zuschauer. Da wir dieses Unding des Motorsports aber inzwischen auch in der DTM akzeptieren müssen, spielt die Komplexität hier eine untergeordnete Rolle. Schlimmer hätte es nach 2015 sowieso nicht mehr sein können - hoffen wir also einfach, dass guter Rennsport das Erfolgsballast-Mysterium überwiegt. (Robert Seiwert)