Pascal Wehrlein heißt der Meister der DTM 2015. Und jetzt? Nur einen Tag nach seinem vorzeitigen Titelgewinn im Sprintrennen in Hockenheim dreht sich am Sonntag der Großteil der Gespräche am Ring schon um die Zukunft des Champions. Wie geht es 2016 mit dem Geburtstagskind - Wehrlein feiert am Sonntag seinen 21. - weiter? Direkter Aufstieg in die Formel 1 oder Titelverteidigung in der DTM?

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff hatte vor einigen Wochen bereits zwischen den Zeilen angedeutet, Wehrlein solle nun erst einmal den DTM-Titel fixieren, dann werde man in puncto F1-Cockpit weiter sehen. Die Message Ende September: Gewinn die DTM, dann geben wir dir eine Chance in der Formel 1. Und das war noch vor Abschluss des Motorendeals mit Manor Marussia für 2016.

Wehrlein in die F1? Wolff: Chancen 50:50

Doch drei Wochen später bleibt am Hockenheimring alles zwischen den Zeilen. "Er hat verdient gewonnen. Nach den ersten paar Rennen ist Pascal von den Punkten her weggezogen. Pascal hat sich toll entwickelt, auch als Testfahrer macht er einen super Job", lobt Wolff erneut. Konkrete Pläne oder gar Zusagen am Geburtstag also komplette Fehlanzeige?

Nicht ganz: "Zuerst musste er seine Aufgabe hier erledigen. Das ist jetzt passiert und nun werden wir Gespräche führen. Es kommt auch darauf an, wie sich das Reglement entwickelt - zum Beispiel ob es ein drittes Auto geben wird. Es wäre aber auf jeden Fall gut, wenn ein paar Junge kommen würden. Die Chance liegt bei 50 Prozent", sagt Wolff. Tatsächlich sei die Wahrscheinlichkeit größer, glaubt Norbert Haug. "Ich sage 51 Prozent", sagt der ARD-Experte und Wolff-Vorgänger bei Mercedes, mit einem Schmunzeln.

Rosberg weiß keinen Rat - doch Wehrlein braucht auch keinen

Nico Rosberg ist an diesem Wochenende ebenfalls in Hockenheim zugast, drückte Wehrlein also schon am Samstag erfolgreich die Daumen und überhäuft ihn nun ebenfalls mit Lob. Über die Zukunft des DTM-Meisters 2015 wisse der F1-Pilot der Silberpfeile allerdings wenig. "Ich kenne ihn jetzt nicht so gut. Wir verstehen uns gut, er hat uns auch schon einiges geholfen mit seinen Testfahrten, Simulatorarbeit und so weiter. Dieses Jahr war das natürlich eine ganz starke Leistung und dazu gratuliere ich. Aber mehr kann ich dazu nicht sagen", sagt Rosberg.

Als Ersatzfahrer des Mercedes Formel-1-Teams verfügt er sogar über einen roten Pass, der ihm Zutritt zum Fahrerlager für alle Rennen verschafft. Doch der ist ihm freilich nicht genug. In Singapur feierte er einjähriges Paddock-Jubiläum. Als Ersatzfahrer kam er 2014 in Singapur erstmals in das Formel-1-Paddock.

Einen Ratschlag könne seinem Kollegen - inzwischen immerhin sechsmaliger Testfahrer mit einjähriger F1-Paddock-Erfahrung sowie schier unzählbaren Stunden im Simulator - daher auch kaum geben. "Das hängt immer davon ab, wie die Optionen sind. Ich denke mal, dass er hofft, in die F1 zu kommen, denn das ist nochmal ein Schritt höher - noch schnellere, tollere Autos, aber mehr kann ich nicht sagen", sagt Rosberg.

Halb so schlimm - großartige Entscheidungshilfe braucht Wehrlein ohnehin nicht. Wenn er der Wahl hätte, würde er 2016 ganz klar bei Mercedes in der Formel 1 fahren, sagt Wehrlein. Das geht allerdings weiter nur als Testfahrer - oder eben qua möglicher Reglementänderung mithilfe eines dritten Boliden. Ansonsten bleibt nur ein anderes Team, idealerweise ein Mercedes-Kunde wie Manor. In jedem Fall gilt: Hauptsache Formel 1! "Mein Ziel ist definitiv die F1. Dort möchte ich hin. Wann und ob das passiert, kann ich momentan wirklich nicht sagen", sagt Wehrlein.

Seine DTM-Crew würde Wehrlein im Fall des F1-Aufstiegs sehr vermissen, Foto: Mercedes-Benz
Seine DTM-Crew würde Wehrlein im Fall des F1-Aufstiegs sehr vermissen, Foto: Mercedes-Benz

DTM? F1? Wehrlein bestätigt kommende Gespräche mit Mercedes

Auch Wehrlein selbst bestätigt anstehende Verhandlungen: "Die Gespräche sind nach Hockenheim und dann wird man sehen. Es kann durchaus auch sein, dass ich noch ein Jahr DTM fahren werde. Es ist noch gar nichts entschieden. Aber ihr alle macht so viel Druck, dass es nächstes Jahr in die Formel 1 geht. Von uns hat sich aber noch niemand konkret in die Richtung geäußert. Beide Serien sind nächstes Jahr möglich."

Als vollkommenes Karriere-Desaster würde Wehrlein eine weitere DTM-Saison also nicht empfinden. Im Gegenteil. Ein Abschied würde eher schmerzen. "Wenn man die DTM verlassen würde, dann würde man schon zurückblicken und sagen 'schade!' Wir waren so ein super Team, haben uns alle so super verstanden, verstehen uns auch privat super. Deswegen schaut man auch mit einem weinenden Auge hin. Auch ich würde gerne mit ihnen zusammenarbeiten", sagt Wehrlein.

Noch dazu sei die DTM in diesem Jahr viel attraktiver geworden. "Insgesamt ist das neue Format auf jeden Fall positiv mit den zwei Rennen pro Wochenende. Klar kann man jetzt über die Performance-Gewichte streiten oder über die Reifen - ich weiß, dass sich viele die Option-Reifen zurückwünschen. Da kann man immer noch Feintuning machen, aber insgesamt ist die DTM dieses Jahr deutlich besser und deutlich spannender geworden für Fans und Fahrer", sagt Wehrlein.

In den Chefetagen von Mercedes' DTM- und F1-Teams bricht kein böses Ringen um Wehrlein aus, Foto: Mercedes-Benz
In den Chefetagen von Mercedes' DTM- und F1-Teams bricht kein böses Ringen um Wehrlein aus, Foto: Mercedes-Benz

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Dennoch richtige sich sein Fokus klar nach vorne. "Man muss immer zurückblicken und schauen und denken, was man erreicht hat, wer alles daran teilgehabt hat und wer einem geholfen hat. Natürlich schaut man da zurück und ist dankbar. Bei mir ist es eher so, dass ich in die Zukunft schaue und da noch mehr erreichen will und hohe Ziele habe. Trotzdem schaue ich gerne in die Vergangenheit, was ich erreicht habe. Für mich ist die Zukunft wichtiger", sagt Wehrlein zu Motorsport-Magazin.com.

Unter dem Strich klingt das alles jedoch deutlich nach Abschied, besonders nimmt man noch die Aussage von Wehrleins aktuellem Chef in der DTM hinzu. "Da ist sicher ein lachendes und ein weinendes Auge dabei. Wir würden uns freuen, wenn Pascal noch ein Jahr oder zwei bei uns fährt, aber ich weiß, was seine Ziele sind. Wir nehmen es, wie es kommt. Da gibt es keine bösen Gefühle. Wir müssen uns aber erstmal zusammensetzen. Ich kann da noch keinen Zeithorizont nennen", sagt Mercedes' DTM-Teamchef Ulrich Fritz auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com.

Noch dazu würde die DTM-Truppe von Mercedes Wehrlein wohl jederzeit mit Kusshand zurücknehmen, meint zumindest sein schärfster Konkurrent dieses Jahres. "Wenn du die Möglichkeit bekommst, in die F1 zu gehen, besonders wo Mercedes gerade so stark ist, warum nicht? Wenn es nicht klappt, kriegt er wahrscheinlich wieder ein Cockpit hier", sagt Vize-Meister Jamie Green. Abgesichtert wäre Wehrlein also offenbar, wie auch David Coulthard aus eigener Erfahrung bestätigt: "Ich denke, er wird in der Formel 1 enden, er verdient es. Aber momentan gibt es wenige Optionen. Interessant ist, dass die DTM eine Serie ist, aus der sowohl Fahrer in die Formel 1 wechseln und aus der Formel 1 kommen."

Warum also nicht das Risiko nehmen? "Wenn er die Chance hat, in die F1 zu gehen, dann gäbe es niemanden, der sagen würde, dass das nicht der natürliche Schritt sei. Wenn du sein Talent hast, musst du sagen 'Goodbye DTM, hello Formel 1'", sagt Mattias Ekström. Wenn Wehrlein denn darf ...