Der vermeintliche Abschuss-Befehl von Audi an Timo Scheider im Sonntagsrennen der DTM auf dem Red Bull Ring in Spielberg überstrahlte am vergangenen Wochenende alles. Dabei bot das Renn-Event in der Steiermark unzählige Höhepunkte. Vor allem das Rennen am Sonntag schrieb so einige gute Geschichte auch abseits des Eklats an seinem Ende. Motorsport-Magazin.com beleuchtet das spannende sportliche Geschehen beim fünften Saisonlauf der DTM.

Dezente Freude bei Eki, Foto: DTM
Dezente Freude bei Eki, Foto: DTM

Eroberer Ekström: Sieg und Meisterschaftsführung

Nicht nur sein Ausfall durch den Dominoeffekt-Unfall mit Robert Wickens und Timo Scheider kostete Pascal Wehrlein am Sonntag die am Vortag eroberte Meisterschaftsführung. Schon zuvor hatte sich der Mercedes-Fahrer durch diverse Ausritte in Kiesbett bereits selbst um die Chance einer Verteidigung gebracht. Während Wehrlein ans Ende der Top-10 zurückfiel, dominierte an der Spitze einer beinahe nach Belieben. "Wir haben mit Mattias Ekström einen sehr überlegenen und von der Spitze aus kontollierenden Fahrer gesehen", sagte Audi-Motorsportchef Wolfgang Ullrich.

"Es bedeutet mir viel, hier gewonnen zu haben. Die Kraft zu haben, das Rennen zu gewinnen ist großartig. Ich bin sehr stolz. Denn heute war die Theorie gegen mich: die Performance-Gewichte - wir haben trotzdem gewonnen. Das ist umso schöner", sagte Ekström, der tatsächlich im schwersten Auto von allen gesessen hatte.

Durch seinen Sieg im Hauptrennen und Platz fünf im Sprintrennen am Samstag schnappte sich der Schwede in Spielberg insgesamt 35 Punkte - mehr als genug, um sich in der Fahrerwertung an die Spitze zu setzen. Jetzt führt der Audi-Fahrer mit 111 Punkten vor Markenkollege Edoardo Mortara (98) und Wehrlein (94).

Am Start setzte sich Green noch an die Spitze, Foto: DTM
Am Start setzte sich Green noch an die Spitze, Foto: DTM

Green Getriebe: Nächster Rückschlag

Während Ekström der große Gewinner in Spielberg war, lautete der Name des größten Pechvogels und Verliers einmal mehr Jamie Green. Der Dominator des Saisonstarts verlor seine Meisterschaftsführung im Samstagrennen, nachdem ihn - auf Rang eins liegend - ein Getriebedefekt zur Aufgabe zwang. "Das ist besonders tragisch, weil Jamie und auch seine Mechaniker ganz sicher nichts dafür können. Es ist ein Einheitsbauteil", erklärte Wolfgang Ullrich gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Green selbst war tief getroffen. "Da ist ein Getriebeschaden schon ein ziemlicher Schock. Als Fahrer kannst du da nicht viel machen mit den Schaltwippen, wenn da was schiefläuft. Da bist du machtlos", sagte Green im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Auch am Sonntag lief es nicht besser - wie Zandvoort blieb Green auch in Österreich ohne Punkte. In der Meisterschaft fehlen dem Briten damit bereits stolze 30 Punkte auf Ekström.

Daumen hoch trotz verletzen Fingers - Mortara siegt in Spielberg, Foto: Audi
Daumen hoch trotz verletzen Fingers - Mortara siegt in Spielberg, Foto: Audi

Magier Mortara: Doppelpodium

So schlecht das Wochenende bei Green verlief, so gut erging es Audi-Kollege Edoardo Mortara. Nach Punkten sogar noch besser als Mattias Ekström. 40 von 50 möglichen Punkten heimste der Italiener für seinen Sieg am Samstag und Rang drei am Sonntag ein. "Es ist wirklich super bei ihm gelaufen. Der Edo hat die Performance, die er im Qualifying und Training gezeigt hat, im Rennen perfekt umgesetzt. Er hat sich ein Polster 'rausgefahren und das Rennen von vorne kontrolliert", lobte Wolfgang Ullrich am Samstag bei Motorsport-Magazin.com.

"Er hatte ganz einfach die Performance in der Hand. Wir wissen, dass die Rennstrecke hier in Spielberg dem Edo sehr, sehr gut liegt und er hier immer besonders gute Rennen bringt", lobte der Audi-Motorsportchef. Das Ganze geschah noch dazu mit einem Handicap: "Ich hatte ein Problem mit meinem Finger, damit konnte ich nicht gut starten. Ich habe große Schmerzen. Das war ein dummer Unfall ... beim Sport", sagte Mortara - trotzdem mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Am Sonntag wiederholte Mortara trotz eines Ausritts seine starke Vorstellung mit dem nächsten Podium.

Paffett kam Ekström näher und näher, Foto: DTM
Paffett kam Ekström näher und näher, Foto: DTM

Klasse Kampf: Duell der alten Hasen Paffett/Ekström

Nicht nur Mortara Fehler verhinderte allerdings einen zweiten Triumph auch am Sonntag. Hauptverantwortlich hierfür waren der Regen und die Extraklasse der alten DTM-Hasen Mattias Ekström und Gary Paffett unter diesen Bedingungen. "Ich hatte ein Lächeln im Gesicht, als es regnete, weil ich das mag. Du musst das Auto ans Limit bringen, ohne rauszufliegen. Das ist nich einfach. Dazu braucht man Erfahrung", sagte Paffett.

Zunächst dominierte allerdings Ekström. "Das Rennen war aufregend. Am Start war sehr viel Wasser. Ich hatte den Vorteil, Erster zu sein. So konnte ich konnte sehen, wo das Wasser steht. Bis zum Boxenstopp fühlte es sich gut an. Ich hatte einen guten Rhythmus und konnte eine 6-Sekunden-Lücke nach hinten reißen", berichtete der Schwede. Paffett hing zu diesem Zeitpunkt noch hinter Mike Rockenfeller fest.

Nachdem ein verpatzter Boxenstopp Paffett zusätzlich zurückgeworfen hatte, kämpfte sich der Brite stark zurück, erhöhte mit zunehmender Renndauer den Druck, feilte am Vorsprung des Audis und fuhr eine halbe Sekunde pro Runde schneller. "Er fuhr wie verrückt und kam bis auf 2,5 Sekunden ran", erinnerte sich Ekström. Erst kurz vor Schluss endete die Aufholjagd durch einen Konter des Schweden: "Er ließ mir keine Wahl, als volles Risiko zu gehen. Als er näher kam, wusste ich, wenn er einmal dran ist, macht er keine Gefangenen. Dann wurde es wirklich schwierig, denn es war kein Raum für Fehler mehr da. Die letzten zwei Runden merkte ich, dass er aufgab."

Paffett bestätigt: " Am Ende habe ich weniger Gas gegeben, als ich sah, es reicht nicht für Mattias. Es wäre dumm gewesen, den zweiten Platz zu riskieren. Ich bin happy. Im Regen war das Auto fantastisch", sagte der Zweitplatzierte. Trotz allen Übels des Funk-Skandals ließ sich Wolfgang Ullrich die Begeisterung über dieses Duell der Routiniers nicht nehmen: "Es freut mich, dass der Gary Paffett und der Mattias Ekström unter diesen besonderen Umständen miteinander um den Siewg gekämpft haben."

Auer und Götz erzielten beide ihre besten DTM-Ergebnisse, Foto: Mercedes-Benz
Auer und Götz erzielten beide ihre besten DTM-Ergebnisse, Foto: Mercedes-Benz

Rookie-Racing: Mercedes-Neulinge glänzen

Neben den etablierten Stars überzeugten bei den bisher schwierigsten Bedingungen des Jahres auch die Neulinge in der DTM mit starken Leistungen. Lucas Auer verbesserte mit Platz sechs am Sonntag sein bislang bestes Ergebnis (Norisring, P9) deutlich. Mercedes-Kollege Maximilian Götz erzielte als Siebter sein erstes Punktresultat in der DTM. Eigentlich hätten die beiden genau andersherum ins Ziel einlaufen müsse, doch ein Ausritts Götz' kostete ihn die Position gegen Auer. "Einige Runden vor Schluss habe ich leider einen Fehler gemacht, wodurch Lucas mich überholen konnte. Das war schade, weil ich ihn davor voll im Griff hatte. Aber es war kein einfaches Rennen", sagte Götz.

"Die ersten Punkte in einer Serie sind immer etwas Besonderes. Für uns Rookies ist es hier nicht einfach, das hat der bisherige Saisonverlauf gezeigt. Dass mir meine erste Punktefahrt auch noch bei solch schwierigen Witterungsbedingungen gelungen ist, macht das Ganze noch etwas spezieller", ergänzte er. Auer pflichtete ihm bei. "Es war schon brutal mit dem Regen, man hat echt wenig gesehen. Aber die Abstimmung vom Auto hat einfach gepasst und ich habe keine Fehler gemacht. Wenn man als Rennfahrer international unterwegs ist, ist es immer schön, mal im eigenen Land fahren zu können. Wenn dann dabei noch so ein tolles Ergebnis rauskommt, ist das besonders erfreulich ", sagte er nach seinem Heimrennen.

BMW - in Spielberg nur ein Schatten seiner selbst, Foto: BMW AG
BMW - in Spielberg nur ein Schatten seiner selbst, Foto: BMW AG

Geheimer Gewinner: Totalpleite bei BMW

BMW heißt der heimliche Gewinner des Wochenendes in Spielberg. Niemand profitierte mehr vom Funk-Skandal bei Audi. Jedenfalls interessierte sich so kaum mehr jemand für die unterirdischen Resultate BMWs, nachdem man in Zandvoort mit einem Siebenfachsieg in der DTM noch nie dagewesene Dominanz gezeigt hatte. Gerade einmal elf Punkte nahmen die Münchener in Österreich mit, zehn davon im Sprintrennen. Den Punkt Antonio Felix da Costas am Sonntag verdankte BMW einzig und allen der Disqualifikation Scheiders.

Timo Glock ließ am Sonntagabend gegenüber Motorsport-Magazin.com Dampf ab: "Für mich war es hier fast schon wie am Laustizring. Wir haben unsere Reifen überhaupt nicht ans Arbeiten gebracht. Im trockenen Qualifying überhaupt nicht, nicht ansatzweise. Und heute morgen im Regen, auf den ich mich eigentlich gefreut hatte, weil ich da eigentlich immer gut dabei bin, ging nichts. Null. Gar nichts. Ich hatte so wenig Grip. Ich bin nicht eine Runde gefahren, auf der ich nicht irgendwie von der Strecke weg war. Der Reifen hatte 0,0 Grip. Im Rennen habe ich dann auch noch selbst zwei Fehler gemacht."

Motorsportchef Jens Marquardt bestätigte das generelle Reifenproblem bei BMW: "Wir müssen von diesem Wochenende ein paar Themen analysieren. Heute morgen im Qualifying haben wir uns wirklich nicht mit Ruhm bekleckert, was unsere Reifenvorbereitung angeht. Das müssen wir intensiv anschauen."

Kapuzenpflicht für Grid Girls!, Foto: Gruppe C GmbH
Kapuzenpflicht für Grid Girls!, Foto: Gruppe C GmbH

Regen-Roulette: Spielberg schwimmt weg

Fast durchgängig öffnete der Himmel am Rennsonntag seine Schleusen. Betroffen war nicht nur die DTM: Im Audi Sport TT Cup kam es zu einem schweren Unfall in der Gischt, das Rennen Formel 3 wurde verschoben. In der DTM fiel derweil das Warm-up aus, während das Rennen eine knappe Viertelstunde später starten und hinter dem Safety Car musste. Einzig die Qualifikation ging planmäßig über die Bühne. Weil regelrechte Bäche quer über den Red Bull Ring flossen, artete das Rennen zu einem Ausrutscher-Festival aus. Kaum ein Fahrer, den man nicht neben der Strecke sah.