Für die aktuelle Saison wurden einige gravierende Regeländerungen in der DTM durchgesetzt. Der Optionsreifen flog raus, zwei Rennen pro Wochenende wurden eingeführt und DRS darf mittlerweile dreimal pro Runde verwendet werden. Eine weitere Neuheit feiert an diesem Wochenende in Zandvoort ihr Debüt: die Slow Zones. Wie Motorsport-Magazin.com bereits Mitte Mai berichtet hat, wird die Alternative zum Safety Car nun am vierten Rennwochenende eingeführt.

Ziel der Slow Zones ist es, den Abstand zwischen den Fahrern im Fall einer Aktivierung einzufrieren, damit keiner einen Vor- oder Nachteil davon hat. Blickt man auf das Rennen in Zandvoort vor einem Jahr zurück, hat der viermalige Einsatz des Safety Cars das Fahrerfeld gehörig durcheinander gewirbelt. Mit der Slow-Zone-Regelung wäre es fairer ausgegangen, wie Rennleiter Sven Stoppe meint: "Ich meine mich zu erinnern, dass es vergangenes Jahr viermal Slow Zones hätte geben können, weil das jeweils Fahrzeuge waren, die neben der Strecke standen und geborgen werden mussten." Stattdessen rückte das Feld immer wieder zusammen und der hart erkämpfte Abstand zum Hintermann war plötzlich weg.

Die vier Slow Zones in Zandvoort, Foto: Motorsport-Magazin.com
Die vier Slow Zones in Zandvoort, Foto: Motorsport-Magazin.com

Dass ein derart komplexes und aufwändiges System zunächst gründlich evaluiert gehört, das betont Dieter Gass, DTM-Leiter bei Audi: "Wir müssen uns sicher sein, dass es richtig funktioniert, wenn wir es das erste Mal einsetzen. Doch bevor wir ein System einführen, das noch nicht funktioniert, ist mir das Safety Car schon lieber."

Die Vorsicht bei Audi ist durchaus nachvollziehbar. Bei den 24h von Le Mans kam dieses System erstmalig zum Einsatz. Die Slow Zone wurde für den Audi-Piloten zum Verhängnis. "Das Auto mit der Nummer 8 wurde früh nach Rennstart außer Gefecht gesetzt", so Gass. "Es war ja nicht Loic Duvals Fehler, das war ein Fehler im System. Die Slow Zone wurde aufgehoben. Das Signal, das den Fahrern angezeigt wurde, war nicht eindeutig." Das führte dazu, dass die Autos vorne langsamer fuhren, während die hinteren Autos beschleunigt haben. Infolge dessen kam es zum Unfall von Duval.

Der Sprecher der DTM-Fahrervereinigung und Motorsport-Magazin.com-Kolumnist Manuel Reuter schätzt die Gefahr deutlich geringer ein, dass etwas vergleichbares in der DTM passieren könnte. "Die Sektoren sind mit den Fahrern abgesprochen", so Reuter. Die Slow Zones beginnen jeweils in Bremszonen, wo die Fahrer sowieso vom Gas gehen müssen. "Ich halte die Slow Zones für ein sehr gutes Werkzeug in der DTM. Die Regelung ist fair für alle Fahrer, macht das Racing nicht durch vermehrte Safety Cars kaputt und ist für den Zuschauer an der Strecke sowie am TV-Bildschirm verständlich."

Dennoch bleibt ein Fragezeichen, ob die Slow Zones tatsächlich schon in Zandvoort zum Einsatz kommen werden, auch wenn Stoppe betont, dass das System und die Rennleitung dazu bereit sei: "Fakt ist, dass die Slow Zones seit dem Norisring im Reglement verankert sind. Wir sind technisch einsatzbereit und wenn wir sie brauchen, werden wir sie einsetzen."

Slow Zones: Wann, wo und warum überhaupt?

Sinn und Zweck der Slow Zones ist es, bei Vorfällen, die nicht zwingend eine Safety-Car-Phase benötigen, eine Alternative zu schaffen. "Die Slow Zones bieten sich immer dann an, wenn irgendetwas neben der Strecke passiert. Wenn zum Beispiel ein Fahrzeug im Kies landet und der Traktor raus muss", so Stoppe. Wenn ein Fahrer allerdings auf der Strecke stehen bleibt und die Vorbeifahrt schwierig wird, kommt das altbewährte Safety Car zum Einsatz.

Im konkreten Fall werden zunächst gelbe Flaggen geschwenkt. "Wenn dann ein Fahrzeug im Kiesbett steht, dann kann er da auch einmal eine Minute stehen bleiben", erklärt Stoppe. Dann kann man nämlich auf den Führenden warten, bis er sich dem Streckenabschnitt nähert, in dem der gestrandete Bolide liegt. Die Slow Zone würde dann aktiviert werden. Das bedeutet, dass sogenannte Light Flags, also Lichttafeln, signalisieren, dass der Fahrer in eine Slow Zone kommt.

Neben den Light Flags gibt es Styropor-Tafeln, die die einzelnen Slow-Zone-Abschnitte kennzeichnen sowie gelbe Striche auf dem Asphalt jeweils am Anfang und am Ende einer Slow Zone. Den Fahrern wird zusätzlich über das Dashboard im Cockpit ein Countdown angezeigt. Im Falle einer Aktivierung einer Slow Zone würde der Countdown jeweils die Distanz herunterzählen, beginnend mit 400 Metern, dementsprechend auch, wenn sich ein Fahrer dem Ende der Zone nähert.

Slow Zones beginnen und enden an Stellen mit niedriger Geschwindigkeit, Foto: BMW AG
Slow Zones beginnen und enden an Stellen mit niedriger Geschwindigkeit, Foto: BMW AG

Mit Überqueren der Eingangslinie einer Slow Zone wird ein zusätzlicher Speed Limiter am Auto aktiviert, der das Auto auf maximal 80 km/h herunterbremst. Der Speedlimiter läuft nur im zweiten Gang. Sollte ein Fahrer einen Gang wechseln und den Begrenzer damit deaktivieren, merkt das die Race Control sofort.

Die genaue Geschwindigkeit eines Fahrzeugs kann die Rennleitung über den Raddrehzahl-Sensor am Vorderrad messen, genauso wie die exakte Position des Autos durch ein GPS-Signal. Das ganze System wird als Marshalling-System bezeichnet. "Wir haben gestern im Freien Training noch einmal die Slow Zone 2 aktiviert, um das nochmal zu testen", sagt der Rennleiter. "Wir haben alle drei Hersteller getestet. Ganz bewusst haben wir dann auch Verstöße provoziert, um festzustellen, ob es jemand gemerkt hat." Dabei hat sich die Zuverlässigkeit des Systems bestätigt.

Eine weitere Idee, die allerdings noch nicht eingeführt wird, ist der Einsatz eines akustischen Signals für die Fahrer. "Die Fahrer werden dann ein Piepen im Ohr hören. Die Frequenz des Tons wird immer kürzer, je näher sie der aktivierten Slow Zone kommen. Das ist allerdings nur ein 'nice to have', aber nicht zwingend notwendig", so Stoppe.