Ein Unwort in der bisherigen DTM-Saison 2014: Strategie. Taktische Spielchen waren zumeist Mangelware in den Rennen. Stattdessen Schema F: Möglichst lange auf dem schnellen Option-Reifen fahren und sich dann mit den langsamen Standards durch den zweiten Stint quälen. Wer auf Options startete, versuchte, möglichst freie Bahn zu haben, um das Potenzial dieser Pneus möglichst optimal auszunutzen. Die Standard-Starter hofften stattdessen, mit leerem Tank in der zweiten Rennhälfte von den Options zu profitieren. Nicht selten hieß es: Das sind einfach zwei Rennen in einem - mit wenig taktischen Raffinessen.

In Zandvoort könnte die Geschichte hingegen völlig anders aussehen. Unwahrscheinlich, dass das komplette Fahrerfeld nach 50 Prozent absolvierter Renndistanz kollektiv in die Box abbiegt und die Reifen wechselt. Stattdessen sollte es gerade im ersten Renndrittel richtig interessant werden. Gut möglich, dass die Teams auf ganz unterschiedliche Strategien setzen. Der Grund sind die Reifen in Kombination mit dem höchst aggressiven Asphalt in Zandvoort. Einige Fahrer glauben, dass sie früher die Options wechseln müssen als ihnen eigentlich lieb wäre.

Das wird ein Reifen-Rennen

"Das hier wird auf jeden Fall ein Reifen-Rennen", kündigte Robert Wickens im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com an. "Das wird auf jeden Fall ein hartes Rennen für die Fahrer, die mit vollen Tanks auf den Options starten. Im vergangenen Jahr ist hier niemand mehr als 21 Runden auf den Option-Reifen gefahren. Vielleicht werden es dieses Mal ja nur zehn Runden ..." Beim vorletzten Rennen des Jahres starten lediglich die Top-8 auf den schnellen Mischungen. Mattias Ekström und Miguel Molina auf den Plätzen neun und zehn entschieden sich für den Start auf Standards. Zum Vergleich: In der Lausitz hatten die Top-14 zu Beginn auf die Soft-Reifen gesetzt.

Frühe Reifenwechsel könnten wir durch den rauen Asphalt häufiger sehen als in der bisherigen Saisonf, Foto: Audi
Frühe Reifenwechsel könnten wir durch den rauen Asphalt häufiger sehen als in der bisherigen Saisonf, Foto: Audi

Der Schwede Ekström, der seinen vierten Startplatz nachträglich verloren hatte, warnte schon vor dem Knalleffekt auf den weichen Reifen, der den einen oder anderen Fahrer heimsuchen könnte. "Wenn es kühl ist, werden die Zeiten sehr schnell sein", so der Audi-Pilot zu Motorsport-Magazin.com. "Dann hält der Reifen zehn Runden lang mit gutem Grip, fünf Runden so lala und irgendwann kommt die Überraschung, dass nichts mehr geht."

Reifen-Flüsterer im Vorteil

In Zandvoort könnten die Reifen-Flüsterer also gleich doppelt profitieren. Der Soft-Reifen ist wesentlich schneller als sein Standard-Pendant. Wer die weiche Mischung am längsten auf der Strecke fahren kann, sollte einige Sekunden gutmachen können. Vieles wird dabei von der aktuellen Position im Rennen abhängen. Alle werden versuchen, sich mit den Options nicht auf aufreibende Zweikämpfe einzulassen. "Wenn du mit anderen Autos kämpfen musst, könnte es schwer werden, die 50 Prozent mit den Options zu fahren", vermutete Augusto Farfus im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Der Reifenabbau sollte hier wirklich riesig werden."

Allerdings gilt der befürchtete Dropoff nicht nur für die Options, sondern selbst für die - nett ausgedrückt - robusten Standards. Eigentlich als Holzreifen verschrien, wird diese Mischung ebenfalls auf die Probe gestellt. "Selbst auf den Standards können wir hier nicht so unendlich lange fahren wue auf anderen Strecken", merkte Mercedes-Pilot Wickens an. Timo Glock bestätigte im Strategie-Talk mit Motorsport-Magazin.com: "Auf dem Option-Reifen sind die ersten Runden die schnellsten. Dann geht es in den Keller - und das gilt auch für die Standard-Reifen."

Auf die Fahrer kommt auf jeden Fall die knifflige Aufgabe zu, den eigenen Reifenabbau genauestens im Auge zu behalten und rechtzeitig zu reagieren. Wenn der Reifen seinen Zenit einmal überschritten hat, sollte es schlagartig bergab gehen mit den Rundenzeiten - so zumindest die Theorie von Reifenlieferant Hankook. "Wichtig wird sein, ob du mit den Options bis zum vorgeschriebenen Wechsel durchkommst", sagte Mercedes-Sprecher Wolfgang Schattling. "Und ich glaube nicht, dass das alle schaffen werden."