Warum war Mercedes nicht zu schlagen?

Pascal Wehrlein fuhr vom Start weg dem gesamten Feld davon, und auch Christian Vietoris konnte sich bis kurz vor Rennende, als Timo Scheider Druck machte, absetzen. Mit Daniel Juncadella und Robert Wickens auf den Plätzen vier und fünf zeigte Mercedes eine beeindruckende mannschaftliche Stärke. Wie schon bei so manchem Mercedes-Erfolg in letzter Zeit spielten die Bedingungen bei dem dominanten Auftritt eine wichtige Rolle. "Ein Rennen im Nassen hat immer seine eigenen Gesetze", unterstrich Audis DTM-Leiter Dieter Gass, ohne jedoch den Speed der Stuttgarter Truppe herabsetzen zu wollen. "Sie waren nicht schlecht unterwegs, natürlich nicht."

Mercedes hat nicht erst einmal bewiesen, dass sie Mischbedingungen strategisch oftmals besser zu nutzen wissen als die Konkurrenz und fügten nun den Lausitzring als einen weiteren Eintrag im Lehrbuch hinzu. "Ich bin heilfroh, dass unser Team unter schwierigsten Bedingungen einen super Job macht. Das war in Oschersleben so, das war am Norisring so und war jetzt auch hier wieder so. Das zeigt, dass wir von der Strategie her und von der Einstellung und Zusammenarbeit mit weit vorne sind", erklärte Wolfgang Schattling, Leiter Motorsport Marketing-Kommunikation bei Mercedes.

Mit vier Autos unter den besten Fünf hatten allerdings selbst die Stuttgarter nicht gerechnet. "Aber wenn jetzt daraus geschlossen wird, dass wir ein sehr wettbewerbsfähiges Paket hätten, würde ich sagen nein", relativierte Schattling. "Ich weiß, das klingt unglaublich, aber ich kann nur auf die Rundenzeiten im Trockenen verweisen ab Runde 40. Da war Timo Scheider sowas von viel schneller als Chris und Pascal und ich täusche mich wohl nicht, wenn man sich die Einzelzeiten von Marco anschaut - die waren sicher auch schneller."

Die Performance-Probleme sind demnach noch nicht vom Tisch. Doch die richtige Taktik bei Mischbedingungen sowie der Vorteil bei den Performancegewichten und die Tatsache, dass der Lausitzring in der Vergangenheit schon oft ein gutes Pflaster für Mercedes war, verhalfen Mercedes zum Sieg.

Warum reichte es für Audi wieder nicht zum Sieg?

Für die Verantwortlichen am Kommandostand von Audi war das Rennen auf dem Lausitzring größtenteils eine Qual. Der einzige Fahrer, der ein 'normales' Rennen hatte, war Timo Scheider, der mit einem Podestplatz belohnt wurde. Alle anderen hatten mit Defekten, Drehern, Kollisionen oder Strategiefehlentscheidungen zu kämpfen.

Miguel Molina und Mike Rockenfeller sammelten auf den Plätzen neun und zehn immerhin noch Punkte, Letzterer trotz eines beschädigten Autos. Edoardo Mortara, der als 16. gewertet wurde, kämpfte das ganze Rennen über auf verlorenem Posten, nachdem er als Einziger auf den weichen Reifen gestartet war und die Strecke nicht wie erhofft schnell abtrocknete. Jamie Green musste sein Auto wenige Runden vor Schluss mit einem technischen Defekt abstellen. Zuvor hatte er sich mehrfach gedreht und wegen einer Kollision mit Martin Tomczyk eine Durchfahrtsstrafe erhalten. Unglücklicherweise gab es auch mit Markenkollege Adrien Tambay eine Berührung, die der Franzose auf ein Missverständnis zurückführte. Er musste ebenso aufgeben wie Mattias Ekström, bei dessen Boxenstopp ein Rad nicht richtig befestigt war, während Nico Müller mit Schaltproblemen die Segel streichen musste.

"Es ging rund, aber das ist bis zu einem gewissen Grad normal bei den Bedingungen. Auf einer nassen Strecke sieht man das sehr oft", räumte Dieter Gass ein, sparte jedoch nicht mit Kritik. "Aber dass ausgerechnet unsere erfahrensten Piloten, Timo ausgeklammert, sich teilweise selbst ins Abseits manövrieren, ist schon ein bisschen schwierig." Dadurch gingen Audi wertvolle Punkte in der Herstellerwertung verloren und der Hersteller muss weiter auf den ersten Sieg seit Moskau im vergangenen Jahr warten.

Marco Wittmann steckte mitten im Getümmel., Foto: DTM
Marco Wittmann steckte mitten im Getümmel., Foto: DTM

Wie lief Wittmanns Titelrennen?

Marco Wittmann wäre es wohl lieber gewesen, er hätte von der Pole Position starten und das Rennen von vorne kontrollieren können. Doch er fuhr nur von Startplatz sieben und damit mitten im Getümmel los. Die Losung von BMW lautete, das Auto unbeschadet und trotzdem schnell ins Ziel zu bringen. Bei den Mischbedingungen alles andere als ein Spaziergang, wie Wittmann feststellen musste. "Es war ein hartes Rennen heute mit ziemlich schwierigen Bedingungen. Ich habe versucht, ruhig zu bleiben, keine Kontakte zu haben. Ich habe mir gesagt: Besser du verlierst eine Position als eine Kollision zu haben. Das war der Schlüssel", erläuterte er seine Herangehensweise.

Während andere Fehler machten, hielt Wittmann auch bei brenzligen Situationen den M4 auf der Strecke und zeigte zudem vor allem gegen Rennende eine gute Pace. "In einem teilweise hitzigen Rennen hat er immer einen kühlen Kopf bewahrt und die perfekte Mischung aus Aggressivität und Kalkül gezeigt", lobte BMW-Motorsportchef Jens Marquardt. Der Lohn war Platz sechs und der vorzeitige Titelgewinn.

Was passierte mit Wittmanns Meisterschaftskonkurrenten?

Drei Audi-Piloten konnten die Titelentscheidung vertagen: Mattias Ekström, Edoardo Mortara und Mike Rockenfeller. Doch es sollte nicht ihr Tag werden. Als erstes verabschiedete sich der Italo-Franzose: Mortara entschied sich zum Start auf Slicks. "Wir hofften, dass die Strecke nach einigen Runden abtrocknen würde, aber sie blieb nass. Wir haben die falsche Entscheidung getroffen", gab der Audi-Pilot zu. Eine kurze Hoffnung auf ein Safety Car, als Antonio Felix da Costa im Dreck stand, bewahrheitete sich nicht. Doch der Crossover-Point in der Performance von Slicks und Regenreifen war ohnehin erst nach ungefähr 35 Runden erreicht, einen Unterschied hätte der Einsatz des Führungsfahrzeugs nicht mehr gemacht.

Mattias Ekströms Hoffnungen waren spätestens nach dem Boxenstopp zerstört: Das Fahrzeug wurde abgelassen, als das Rad vorne links noch nicht richtig befestigt war. Doch schon zuvor lief es nicht gut: Von Anfang an konnte der Schwede das Mercedes-Tempo nicht mitgehen und rutschte nach wenigen Runden von der Strecke. Selbst ohne das Boxenstopp-Problem wäre die Entscheidung höchstwahrscheinlich zugunsten Wittmanns gefallen. Mike Rockenfeller war nach Ekströms Ausfall der letzte "Spielverderber", doch er kam nicht richtig in Schwung. "Mein Auto war beschädigt, weil mir Einige ins Auto gefahren sind", sagte der entthronte Meister. Am Ende wurde er Zehnter.

Weshalb bezeichnete sich Glock als chinesische Mauer?

Timo Glock diente während des Rennens in der Lausitz als Schutzschild für Markenkollege Marco Wittmann. "Ich wäre gerne vorbeigefahren, aber ich durfte und konnte nicht. Ich musste mich hinter Marco dementsprechend breit machen, und die Prügel dann einstecken", verriet er Motorsport-Magazin.com. Er sei zwar auch bei nassen Bedingungen schnell gewesen, habe jedoch nicht frei fahren können. "Was will man dann machen? Dann musst du zusehen, dass du irgendwie über die Runden kommst. Diesmal musste ich eben als chinesische Mauer herhalten", klagte er.

Welche Strafen wurden ausgesprochen und warum?

Eine ganze Reihe von Durchfahrtsstrafen mussten am Sonntag absolviert werden. Als Ersten erwischte es Bruno Spengler, der Martin Tomczyk aufs Heck fuhr und ihn umdrehte. "Es war eine unglückliche Situation mit Martin Tomczyk in der ersten Kurve. Es war ziemlich rutschig, und alle haben recht früh gebremst. Ich habe leider Martin erwischt - sorry dafür", erklärte sich der Ex-Meister.

Richtig dramatisch wurde es, als der BMW von Antonio Felix da Costa geborgen wurde. Mehrere Fahrer wurden für schuldig befunden, die gelbe Flagge missachtet zu haben. Adrien Tambay, Daniel Juncadella, Robert Wickens und Vitaly Petrov wurden allesamt zu Durchfahrtsstrafen an die Box zitiert. Nur dadurch wurde ein Dreifacherfolg von Mercedes verhindert. Schließlich durfte auch Jamie Green noch einmal durch die Boxengasse fahren, weil er ebenfalls Martin Tomczyk torpedierte, wodurch sich beide drehten.

Die Strafen für angebliches Missachten der gelben Flagge waren nicht unumstritten. Juncadella ärgerte sich im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com über die Drive Through: "Wenn fünf DTM-Fahrer eine Durchfahrtsstrafe bekommen, stimmt etwas nicht. Wir fahren nicht erst seit zwei Tagen, wir sind professionelle Fahrer. Sicherlich ist Sicherheit wichtig, aber in dieser Situation machen die Regeln keinen Sinn. Eine abtrocknende Strecke wird schneller, das ist nunmal so." Es ist davon auszugehen, dass sich die Fahrergewerkschaft dieses Themas annehmen wird.

Antonio Felix da Costa parkte seinen BMW unfreiwillig in der Wiese., Foto: DTM
Antonio Felix da Costa parkte seinen BMW unfreiwillig in der Wiese., Foto: DTM

Was führte zu den zahlreichen Ausfällen?

Gewertet wurden am Lausitzring 18 Piloten, die Zielflagge sahen tatsächlich jedoch nur 16 von 23 gestarteten Fahrern. Die Palette an Ausfallgründen ist lang. Den Auftakt machte in der sechsten Runde Antonio Felix da Costa mit einem Dreher in die Wiese, aus der er sich trotz aller Mühen nicht selbst befreien konnte. Im 14. Umlauf musste Nico Müller aufgeben, nachdem er keinen vierten Gang mehr zur Verfügung hatte. Getriebeschaden also in diesem Fall.

Als Nächster musste Timo Glock seinen Boliden in der Garage abstellen. Diagnose: Krebsgang. "Beim Geradeausfahren musste ich nach links lenken, um das Auto gerade zu halten", erklärte er Motorsport-Magazin.com. Hinten links sei die Spur komplett rausgewesen, das hintere linke Rad habe nach außen gestanden.

Wenige Runden nach Glock rollte Mattias Ekström aus, nachdem seine Crew ein Rad nicht richtig angezogen hatte. Paul di Resta war nach mehreren Berührungen die Lenkung gebrochen, weshalb er in Runde 38 aufgab. Für Adrien Tambay war in Runde 41 Schluss, sieben Runden später stellte auch Jamie Green sein Auto mit einem technischen Defekt ab. Der Großteil der Ausfälle dürfte auf die unter Mischbedingungen vermehrt auftretenden Ausritte und Kollisionen zurückzuführen sein.