Die DTM hat ihren größten Aufreger seit der Wasserflaschen-Affäre um Mattias Ekström: Mercedes akzeptierte die Durchfahrtsstrafe gegen Robert Wickens wegen eines Unsafe Release nicht, der Kanadier wurde disqualifiziert. Gleichzeitig wurde Pascal Wehrlein für einen eigentlich dramatischeren Unsafe Release freigesprochen - dieser Fall wird nun von den Sportkommissaren neu aufgerollt, obschon Wehrlein ausschied, da er sich bei der Kollision mit Wittmann, dem er durch das unerlaubte Losschicken in die Seite fuhr, beschädigte.

Mercedes-DTM-Chef Wolfgang Schattling war außer sich über das Vorgehen der Rennleitung. Während des Rennens blockte er sämtliche Interview-Anfragen grimmig ab, nach dem Rennen machte er seinem Ärger Luft: "Das war die krasseste Fehlentscheidung, die die DTM je gesehen hat!", polterte er. Seiner Meinung nach haben die Rennkommissare die Fälle verwechselt: "Wehrlein hatte einen Unsafe Release, aber das wurde zurückgezogen. Die haben das mit Wickens verwechselt. Wir haben diskutiert, aber gegen die schwarze Flagge können wir nichts machen."

ARD-Experte Norbert Haug konnte dieser Diskussion während des Rennens gar nichts abgewinnen: "Es gibt keine Diskussion, wenn die Rennleitung eine Entscheidung trifft. Ein Unsafe Release ist gefährlich und gehört bestraft." Ein Protest gegen die Entscheidung, der zwischenzeitlich vermutet wurde, ist nicht möglich, da es sich um eine Tatsachenentscheidung handelt. Leidtragender war Robert Wickens: Wegen der Diskussionen teilte ihm der Kommandostand die Durchfahrtsstrafe überhaupt nicht mit - der Kanadier war sich der Strafe erst bewusst, als es schon zu spät war und er die schwarze Flagge in Kombination mit seiner eigenen Startnummer sah.

Weitere Schritte in Planung

Bis zur Pressekonferenz hatte sich Schattling wieder etwas beruhigt, bestand aber weiterhin auf seinem Standpunkt: "Pascal hatte unserer Meinung nach einen Unsafe Release, der nicht bestraft wurde, und Robert hatte unserer Meinung nach keinen. Er und Timo kamen Stoßstange an Stoßstange an die Box und haben diese auch so wieder verlassen. Alle haben einen exzellenten Job gemacht und die Strafe ist nicht das, was wir erwartet haben."

Mercedes ist über Wickens' Boxenstopp gänzlich anderer Meinung als die Rennleitung, Foto: DTM
Mercedes ist über Wickens' Boxenstopp gänzlich anderer Meinung als die Rennleitung, Foto: DTM

Weiterhin kündigte er an, dass Mercedes weitere Schritte unternehmen werde: "Wir werden versuchen, den Stewards klarzumachen, dass es ein Missverständnis gewesen sein muss." Seinen Fahrer Robert Wickens sprach er von jeglicher Schuld frei. Augusto Farfus hatte ihn für sein hartes Überholmanöver, als er längst die Strafe hatte, kritisiert. "Als die schwarze Flagge herauskam und Robert weiterfuhr, bedeutete das nicht, dass er nicht reinkommen wollte. Es war unsere Entscheidung."

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff sagte: "Aus unserer Sicht war es ganz klar kein Unsafe Release. Die Entscheidung ist für mich nicht nachvollziehbar, zumal sie nicht konsistent mit anderen Entscheidungen ist, die getroffen wurden. Allerdings müssen wir die Strafe akzeptieren, so sind nun mal die Regeln. Wir haben zu diesem Zeitpunkt in Führung gelegen und das Auto hat sehr gut funktioniert. Mit dieser Entscheidung wurde in ein sehr spannendes Duell um den Sieg eingegriffen. Ich denke, wir müssen in der Zukunft im Zweifel für das Racing agieren."

Kramp: Keine Verwechslung der Fälle

Eine Verwechslung in der Rennleitung schloss DMSB-Pressesprecher Michael Kramp kategorisch aus: "Aus unserer Sicht ist es korrekt. Glock wurde behindert und musste bremsen. Das Team muss dem Fahrer mitteilen, ob die Boxengasse frei ist oder nicht, und das war in dieser Situation nicht der Fall. Gegen eine Durchfahrtsstrafe kann kein Protest angebracht werden - weder während des Rennens, noch nach dem Rennen."

Wickens fuhr bis dahin ein fehlerfreies Rennen und erkämpfte sich auf dem harten Reifen sogar wieder die Spitze. Selbst mit der Durchfahrtsstrafe wäre ein solides Punkteresultat für den Kanadier möglich gewesen.

"Das war ein sehr enttäuschender Nachmittag für mich", sagte der Norisring-Sieger anschließend. "Im Sinne des Reglements und meiner Auffassung nach war es eindeutig kein Unsafe Release. Die Strafe hat mein Rennen zerstört und mich einen möglichen Sieg gekostet." Der einzige Funkverkehr mit der Box habe stattgefunden, als er wegen der schwarzen Flagge nachgefragt hat, fügte er an.