Tage der Entscheidung in der DTM. Während die Piloten vordergründig um Siege auf der Strecke kämpfen, herrscht hinter den Kulissen ein Kampf der anderen Art. Das Zauberwort lautet Homologation, also ein Entwicklungsstopp der Autos von Mercedes, BMW und Audi. Laut einer ersten Vereinbarung dürfen die drei Hersteller ihre Boliden ab dem 2. Juni 2014 - also dem Montag nach dem Rennen in Ungarn - nicht mehr weiterentwickeln. Am kommenden Mittwoch tagt eine Kommission aus Vertretern der drei Hersteller, drei Funktionären des DMSB sowie ITR-Boss Hans Werner Aufrecht und Hermann Tomczyk. Dann soll offiziell entschieden werden, ob die geplante Homologation wirklich durchgesetzt wird.

Eine erste Homologation hatte es bereits zum 1. März 2014 gegeben - mit der Information, dass ein weiterer Entwicklungsstopp nach dem Rennen auf dem Hungaroring folgen soll. Das Problem: In ihrer aktuellen Konstellation ist die DTM nicht ausgewogen, Mercedes hinkt heillos hinterher. Das zeigte sich erneut am vergangenen Wochenende, als die C-Coupés auf dem Hungaroring einmal mehr chancenlos waren. Sollte diese zweite Homologation wirklich umgesetzt werden, dürfte auch Mercedes sein Auto nicht mehr weiterentwickeln. Dadurch würde die DTM Gefahr laufen, dem Anspruch der Chancengleichheit nicht mehr gerecht zu werden.

Mercedes ist derzeit nicht konkurrenzfähig, Foto: Mercedes-Benz
Mercedes ist derzeit nicht konkurrenzfähig, Foto: Mercedes-Benz

Darf Mercedes weiterentwickeln?

In Ungarn waren alle drei Hersteller sehr darauf bedacht, keine Informationen über den laufenden Prozess preiszugeben. Allgemeiner Tenor: Man solle die offizielle Entscheidung nach dem Treffen am Mittwoch abwarten, mit voreiligen Informationen würde man der Serie und den Entscheidern höchstens schaden. Umso mehr überraschte es nicht wenige Experten der Szene, dass DTM-TV-Partner ARD am Samstag meldete, der Entwicklungsstopp würde laut eigenen Informationen zeitlich verschoben.

"Mercedes darf doch weitertüfteln", hieß es im Rahmen der Qualifying-Übertragung am frühen Samstagabend. Keiner der drei Hersteller wollte sich dazu äußern. "Es gibt ein Datum und das ist der 2. Juni", so Wolfgang Schattling, Leiter DTM-Marketing-Kommunikation bei Mercedes, am Sonntagvormittag. "Darüber hinaus kann ich nichts sagen. Warten wir mal ab."

Homologation: Entscheidung mit weitreichenden Folgen, Foto: Audi
Homologation: Entscheidung mit weitreichenden Folgen, Foto: Audi

Lösung mit Risiken

Wie die vermeintliche Lösung der Homologations-Angelegenheit aussieht, lässt sich aktuell schwer abschätzen. Die Möglichkeit, ausschließlich Mercedes weiterentwickeln zu lassen, birgt Risiken in sich. Was ist, wenn die Stuttgarter ihr Performance-Problem in den Griff bekommen und plötzlich stärker wären als BMW und Audi? Das wäre weder im Sinne der Konkurrenz - warum einen Vorteil gegenüber dem Mitbewerber herschenken - noch im Sinne der Serie, die stets auf Wettbewerbsgleichheit der Hersteller pocht.

Doch auch Audi und BMW ist in gewisser Weise daran gelegen, dass Mercedes wieder den Anschluss findet. Die DTM kann sich nicht leisten, einen Hersteller zu vergraulen. Zu lange haben alle Beteiligten dafür gekämpft, die Tourenwagenserie am Leben zu erhalten. Ausgeglichener Wettbewerb ist der Schlüssel für dieses Unterfangen. Passend dazu wurden zu dieser Saison die Performancegewichte eingeführt. "Wenn hier einer hinterherfährt, ist das bestimmt immer ein Risiko für die Serie im Allgemeinen", sagte Audis Rennleiter Dieter Gass diesbezüglich.

Bis zuletzt durften die Autos weiterentwickelt werden, Foto: BMW AG
Bis zuletzt durften die Autos weiterentwickelt werden, Foto: BMW AG

Kein Vorteil für Mercedes

Gleichzeitig soll nicht der Eindruck erweckt werden, dass eine mögliche Verlängerung der Homologationsfrist nur ein Entgegenkommen an Mercedes darstellt. "Wenn etwas geändert werden sollte, ist das für alle gleich", meinte Abt-Teamchef Hans-Jürgen Abt. "Das ist keine Lex Mercedes oder Lex Audi. Jeder will seine Meinung vertreten, aber was am Ende entschieden wird, ist für alle gleich." Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen nach sich ziehen, denn die Homologation soll womöglich bis zum Ende der Saison 2015 gelten, die Autos dürften in diesem Fall also dieses und nächstes Jahr nicht mehr grundlegend weiterentwickelt werden.

"Keiner hat etwas von einem Zweikampf, wenn es drei Hersteller gibt", sagte Norbert Haug am Sonntag vor dem Ungarn-Rennen. Der heutige ARD-Experte und frühere Mercedes-Motorsportchef zählte in den vergangenen Jahren zu den stärksten Verfechtern der DTM und arbeitete unentwegt am Erhalt der Serie, die während der Mercedes-Audi-Ära nicht selten vor dem Aus stand. Haug weiter: "Ich finde es gut, dass es da eine Lösung gibt. Wie die im Detail aussieht, muss man noch abwarten."

BMW und Audi vorn - Mercedes weit dahinter, Foto: DTM
BMW und Audi vorn - Mercedes weit dahinter, Foto: DTM

Warum eigentlich Homologation?

Warum gibt es eigentlich eine Homologation? Einfach ausgedrückt: Kosteneinsparung. Wenn die Entwicklung der Autos gestoppt ist, sparen die Hersteller immense Entwicklungskosten, das war schon in den vergangenen Jahren der Fall. Die letzte Phase gab es von 2012 bis einschließlich 2013 im Zuge des neuen Reglements. Nachdem BMW zur aktuellen Saison den M3 durch den neuen M4-Boliden ersetzt hatte, konnten alle drei Hersteller noch einmal Hand an ihren Autos anlegen. Dass Mercedes einen solch großen Rückstand haben würde, war nicht abzusehen.

Am Mittwoch soll nach dem Treffen der Verantwortlichen Klarheit herrschen, wie es in der DTM weitergeht. "Ich habe noch nie einen Fall erlebt, wo wir nicht alle zu einer tragbaren Lösung gekommen sind", sagte BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt. "Ich sehe da im Moment keinen Stolperstein." Angeblich sollen sich die Hersteller bereits geeinigt haben, doch der amtliche Segen von DMSB und ITR steht noch aus.