Trotz komfortablem Polster auf den ärgsten Verfolger, spricht Mike Rockenfeller noch nicht vom Titel. "An den Titel kann man erst denken, wenn man ihn eingefahren hat, oder an dem Tag, an dem es für die anderen rechnerisch nicht mehr möglich ist, ihn zu gewinnen", sieht er die Angelegenheit pragmatisch. Er denke von Rennen zu Rennen und nehme sich in Oschersleben wie in den vorherigen Läufen ein gutes Resultat vor. "Ich will gewinnen, aber das will jeder. Deswegen: Wenn es nicht möglich ist, dann will ich das Maximum herausholen", betonte er.

"Auf dem Nürburgring hat die erste Kurve gezeigt, wie schnell ein Rennen vorbei sein kann", spielte er auf die zahlreichen Berührungen an. Dass er dennoch auf Rang vier ins Ziel kam, schob Rockenfeller auf Glück und die richtigen Entscheidungen. "Wir haben gesehen, dass es schnell gehen kann. Daher bringt es mir nichts, wenn ich nachdenke oder philosophiere. Natürlich ist das ein guter Vorsprung im Moment. Aber wenn etwas schiefgeht - was wir nicht hoffen, was aber möglich ist in der DTM - dann ist der Vorsprung ruckzuck weg und dann sieht die Welt ganz anders aus", erläuterte er.

Aufgrund dieser Einstellung sieht Rockenfeller auch keinen Anlass, anders an das Rennen in Oschersleben heranzugehen als an die vorherigen. "Für eine Meisterschaft ist das Wichtigste, dass man Punkte sammelt. Wir haben zwei Rennen gewonnen - das hilft auch, denn das gibt die großen Punkte", meinte er. Rockenfeller und Verfolger Christian Vietoris sind die einzigen Fahrer, die in dieser Saison in jedem Rennen punkten konnten.

Allerdings macht Rockenfeller den Mercedes-Piloten nicht als Hauptkonkurrenten aus. Vielmehr hat er auch die anderen Piloten, die dicht hinter Vietoris liegen, auf der Rechnung. "Es hat einen Grund, warum die alle ganz nah beieinander liegen und die Punkte auf dem Konto haben. Sie waren alle bisher gut unterwegs, daher kann man nicht sagen, dass einer heraussticht", erklärte er auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com und wagte daher auch keine Prognose. "Es ist schwierig vorherzusagen. Es hat sich ein bisschen verschoben in den letzten Rennen. Es kann jetzt auch wieder in die andere Richtung gehen."

Auch Audi-DTM-Leiter Dieter Gass gab sich in Bezug auf Rockenfellers Titelchancen zurückhaltend. "Es ist etwas verfrüht, in zu große Euphorie zu verfallen. Wir haben gesehen, wie sich von Wochenende zu Wochenende die Performance-Niveaus verschieben", stellte er klar. "Wir waren bislang immer mit mindestens einem Auto vorne mit dabei. Das ist nicht jedem geglückt. Wir sind aber nicht davor gefeit, dass uns das nicht auch einmal passiert." Mit Oschersleben habe Audi nach dem Rennen im vergangenen Jahr, in dem Rockenfeller als Sechster bester Audi-Pilot war, noch eine Rechnung offen.

Gass räumte unumwunden ein, dass Audi weder zu Saisonbeginn noch zu Saisonmitte damit gerechnet hatte, in der Position zu sein, um den Titel zu kämpfen. Allerdings gestand er, dass ein paar Situationen in den letzten Rennen Audi in die Karten spielten. Dennoch ist der Grund für das starke Auftreten auch darin zu suchen, dass die Ingolstädter großen Wert auf die Vorbereitung legen und sich zum Ziel nehmen, stets möglichst gut aussortiert an die Rennstrecke zu kommen. Denn nach der Verkürzung des Rennwochenendes auf zwei Tage ist die Zeit knapp. "Mike hat gezeigt, dass er dann das Entsprechende aus dem Auto holen kann", unterstrich Gass. "Über die Saison gesehen fehlt uns unter den Autos aber etwas die Konstanz. Wir arbeiten weiter daran, dass wir mehr Autos in den vorderen Bereich bekommen. Wenn wir das schaffen, helfen wir automatisch auch Mike."