Reifenwechsel in der DTM - eine Angelegenheit von nur wenigen Sekunden und dennoch oder gerade deshalb kam es in dieser Saison schon häufiger zu Problemen beim Wechsel der Pneus. Während Timo Glock beim Auftakt in Hockenheim sein Hinterrad verlor, traf es am Red Bull Ring in Österreich auch seinen Markenkollegen Joey Hand. Doch wie kann es trotz der automatischen Freigabe zu solchen Fehlern kommen? Motorsport-Magazin.com gibt Einblicke in die Technik und erklärt, wie ein Reifenwechsel im Rennen abläuft.

Reifenwechsel in wenigen Sekunden, Foto: Audi
Reifenwechsel in wenigen Sekunden, Foto: Audi

Auto hoch, Reifen ab, Reifen drauf, Auto runter - fertig. Was für den Zuschauer in oftmals unter drei Sekunden kaum zu überblicken und verstehen ist, bedarf einer langen Vorbereitungszeit. Nicht nur die Mechaniker trainieren rund drei Mal in der Woche mit je zehn bis 20 Boxenstopps den Ernstfall, auch die Ingenieure haben einen großen Einfluss auf die Dauer der Reifenwechsel und sorgen gleichzeitig dafür, dass auch die Sicherheit der Piloten nicht aufs Spiel gesetzt.

Dafür sind vor allem der Schlagschrauber und die Radnarbe von großer Bedeutung. Die Narbe in Kugelform erleichtert das Aufsetzen des Schraubers und bringt wertvolle Sekunden. Während die Klemmstange zurückgedrückt wird und die Radmutter somit zum Lösen freigibt, sorgen Magnete an der Nuss dafür, dass die Mutter daran haftet und nicht herunterfällt, was aber dennoch nicht ausgeschlossen ist. "Wenn der Mechaniker durch seine Bewegung die Mutter beim Radwechsel verliert, dann merkt er das nicht", erklärt ein Audi-Techniker. Was dann im Falle einer Freigabe geschieht, wurde am Beispiel von Timo Glock und Joey Hand deutlich. Sollte er es dennoch merken, liegen Ersatzmuttern bereit.

Gleichzeitig reißt der Mann am Schlagschrauber den Reifen aus dem Radhaus und wechselt an seinem Schlagschrauber vom Löse- auf das Anzugsmoment. Während es sich bei Letzterem um rund 400 bis 600 Newtonmeter handelt, weißt das Öffnungsmoment etwa doppelt so viel Newtonmeter auf. Unterschiedliche Farben der Schlagschrauber geben an, für welche Fahrzeugseite das jeweilige Gerät verwendet werden muss. In der Zwischenzeit hat sein Kollege schon den neuen Reifen aufgesteckt. Beim anschließenden Festschrauben ist jedoch Vorsicht geboten: wird der Schlagschrauber betätigt, bevor die Zähne in die Taschen der Radmutter greifen, fliegen die Funken. "Die Schrauber drehen sich mit rund 18.000 Umdrehungen pro Minute", erklärt der Audi-Techniker. "Was dabei mit den Zähnen passiert sollte klar sein."

Schlagschrauber in zwei Farben - für links und rechts, Foto: Sönke Brederlow
Schlagschrauber in zwei Farben - für links und rechts, Foto: Sönke Brederlow

Wurde der Reifen ordnungsgemäß montiert, gibt der Mechaniker über einen Taster an seinem Schlagschrauber darüber Bescheid. Gibt es von allen vier Pneus grünes Licht, wird ein Signal zur Luftlanze geschickt, was ein Magnetventil öffnet und das Auto von den Stempeln fallen lässt. Sollte ein Mechaniker versehentlich zu früh auf den Taster zu Freigabe kommen, ist dies noch kein Problem. "Sollte er aber der langsamste sein, wird das Auto zu früh freigegeben", erklärt der Audi-Ingenieur. Und auch vom Fahrer wird einiges abverlangt. "Das Auto muss an der richtigen Stelle halten. Wenn der Pilot einen halben Meter zu weit fährt, muss die gesamte Mannschaft nachrücken." Und zwar synchron, sonst gibt es Chaos...

Sorgfältige Vorbereitung

Doch auch die Vorbereitung zwischen den Rennen ist unverzichtbar. Jeder Mechaniker absolviert ein für ihn abgestimmtes Krafttraining. "Die Schlagschrauber stehen mit 25 bar unter Druck und werden in einer Hand gehalten", erinnert der Techniker. "Wenn die betätigt werden, dann reißt das richtig los." Die andere Hand bleibt auch nicht untätig. Rund 33 Kilogramm wiegt ein vollständiger Reifen, davon zehn Kilogramm die Felge. Außerdem werden auch die Boxenstopps aus den Trainings analysiert und optimiert. "Dabei lässt sich genau sehen, welcher Mechaniker am langsamsten war", grinst der Techniker. "Dann kommt der Ehrgeiz schon ganz von alleine."

Wird der Schlagschrauber zu früh betätigt, gibt es 'Zahnsalat', Foto: Sutton
Wird der Schlagschrauber zu früh betätigt, gibt es 'Zahnsalat', Foto: Sutton

Jeder Mechaniker hat zudem seinen eigenen Schlagschrauber, den er für sich optimal einstellt. Neben einem perfekten Handgriff ist auch die Pflege der Zähne von großer Bedeutsamkeit. Rund fünf bis sechs Rennen hält eine Nuss bevor sie durch eine neue ersetzt wird. Die Art des Schalters, um vom Löse- auf das Anzugsmoment umzustellen, ist bei jedem Mechaniker anders. "Es gibt einfache Verlängerungen oder große Pilzköpfe", weiß der Techniker. "Einige lassen diesen aber auch unverändert." Sogar die Strenge des Schalters ist justierbar. Je schwergängiger dieser, desto seltener kommt es zum unerwünschten Verstellen - benötigt allerdings auch einen höheren Kraftaufwand.

Die Radnarbe ist in der DTM ein Einheitsbauteil. Mitnehmerbohrungen in der Narbe und Mitnehmerbolzen in der Felge verhindern ein unerwünschtes Durchdrehen der Räder auf der Strecke. Zwar gibt es ein großes Drehmoment durch die Radmutter, die Kraftübertragung erfolgt jedoch durch Scherung über die fünf Stahlbolzen. Verschleiß tritt hier vor allem durch das Aufsetzen des Rades auf. Ein Grund, warum viele Teile nach nur wenigen Rennen ausgetauscht werden - sicher ist sicher.