Die Räder in der DTM stehen schon seit ein paar Wochen still - nur Timo Scheider ist nicht zur Ruhe gekommen, so scheint es. "Ich könnte nach dieser Pause erst einmal Urlaub gebrauchen", stöhnte der zweifache Champion kurz vor dem fünften DTM-Lauf auf dem Norisring mit einem schelmischen Lächeln. Scheiders DTM-Auszeit - sie war in den vergangenen Wochen doch recht bewegt: Erst standen Testfahrten in der Lausitz an, danach der Sailing-Cup in Kiel. "Den konnte ich gewinnen, gleich beim Debüt - das war eine tolle Geschichte", strahlte Scheider stolz. Mit an Bord war dabei auch sein Ingenieur Markus Mittelberger. "So etwas schweißt zusammen und ist ein schöner Motivationskick", verriet der Deutsche, den es anschließend vom Wasser in den Osten zog - und zwar nach Moskau. Dort stand ein Pressetermin auf dem Roten Platz an, um die DTM und Audi zu promoten.

Und der ehrgeizige Scheider wäre nicht er selbst, würde er nicht sofort einen möglichen Vorteil für die Zukunft wittern. "Ich habe dort schon einmal ein Feeling vermittelt bekommen, wie die Dinge dort laufen und gedacht wird. Und scheinbar haben wir bei Audi einen halben Sympathiepunkt Vorsprung vor dem Rest", freute sich der 34-Jährige. In Russland sei es positiv aufgenommen worden, dass seine Marke dem Land bereits im vergangenen Februar einen Besuch abgestattet hatte. "Das ist super", fand Scheider, für den - zurück aus Moskau - gleich noch ein Highlight anstand. Mit einem Team rund um Entertainer Oliver Pocher spielte er gegen Borussia Dortmund, denen Scheider auch privat gerne einmal die Daumen drückt. Der Rennfahrer lachte: "Ich bin ja eigentlich nur ein alter Straßenkicker, aber das war eine tolle Erfahrung. Mein Fitnesstraining konnte ich so einmal auf einem anderem Level stattfinden lassen." - Blessur inklusive.

Andenken von Marco Reus

Immer am Ball: Scheider hat die Pause unter anderem zum Kicken genützt, Foto: Audi
Immer am Ball: Scheider hat die Pause unter anderem zum Kicken genützt, Foto: Audi

"Von Marco Reus habe ich an der linken Wade doch tatsächlich noch ein Andenken mitgekriegt", lachte der Audi-Fahrer, der als Rechtsverteidiger direkt auf den links agierenden Offensivmann traf. Ein Revanchefoul habe er sich aber gespart. "Jürgen Klopp hat uns vorher gebeten, bitte nicht reinzutreten und zu hart ranzugehen. Die fußballerischen Qualitäten der Jungs können wir sowieso nicht zu toppen, also wäre das körperbetonte Spiel wohl die einzige Chance... bloß kann es sein, dass Dortmund mit jedem Kontakt bei Verletzungen nächste Saison ein paar Millionen flöten gehen", zeigte sich Scheider als fairer Sportsmann verständnisvoll. Stichwort Revanchefoul: Bei jemand anderem könnte er sich das aber in nächster Zeit durchaus vorstellen, verriet der Ex-Meister mit einem Augenzwinkern - getreu dem Motto: 'Gott vergisst und vergibt - Scheider nie'.

"Ich hätte gute Lust, den 'King of Norisring' einmal im eigenen Hause zu schlagen", so Scheider mit Bezug auf Neo-Audi-Kollege Jaime Green. Warum so frech, Herr Scheider? "Es gibt da noch eine offene Rechnung von 2009. Bis kurz vor Schluss habe ich geführt - dann hat er sich im Schöller S mit einem ziemlich ruppigen Manöver vorbeigebremst und ich bin somit am Ende sogar nur Vierter geworden." Erneut kam Scheider dabei eine Fußball-Metapher in den Sinn: "Also ohne Jaime jetzt ein Bein stellen zu wollen... aber ich würde es schon einmal gerne umgekehrt machen und ihn genauso ausbremsen." Doch damit sei er sicher nicht allein, wie Scheider wusste. "Dieser Sieg am Norisring - das ist wohl von uns allen der große Wunsch und Traum." Er selbst konnte den Klassiker der DTM noch nie gewinnen. Am Wochenende soll sich das ändern. "Ich muss einfach schneller fahren als alle anderen - das ist immer das beste Rezept", lachte der Audi-Fahrer.

Ob mit oder ohne Helmkühlung: Scheider hat Lust auf Jubel, Foto: DTM
Ob mit oder ohne Helmkühlung: Scheider hat Lust auf Jubel, Foto: DTM

Wie sein erster Norisring-Sieg im Idealfall aussehen sollte, wusste Scheider dabei auch schon gleich. "Ich habe gern den Druck im Rennen." Das lenke ab. "Zum Beispiel davon, wie heiß es ist. Dann hat man gar keine Zeit, um nachzudenken. Am besten ist es, das Rennen anzuführen... so mit 20, 30 Metern Abstand vorm ersten Verfolger. Dann weiß man: Er ist da und man darf sich keinen Fehler leisten. Das ist immer das beste Szenario." Damit er dieses dann auch gut umsetzen kann, wartet der zweimalige Meister am, den Vorhersagen nach, extrem heißen Wochenende noch mit einer zusätzlichen Finesse auf. "Ich habe diesmal eine neue Helmkühlung, bekomme so extern Luft in den Helm geblasen." Einige neuartige Kühlwesten gäbe es auch. "Und sogar ein neues Mittel, das auf die Unterwäsche kommt", lachte Scheider.

Keep cool

Allgemein freue er sich am Norisring auf die Fans. "Da gibt es schon die ein oder andere stark besetzte Audi-Tribüne. Das registriert man besonders, wenn es gut läuft und dann die Fahnen geschwenkt werden." Im Rennen habe man zwar selten einen Blick dafür, welche Stimmung gerade herrsche. "Aber bei Start und Ziel merkt man schon, was auf den Rängen abgeht." Doch bevor dort die Audi-Party losbreche, müsse man erst einmal Leistung zeigen - nach dem zuletzt eher schwierigen Rennen in der Lausitz gar nicht mal so einfach. Immerhin würde man mittlerweile die Gründe für Scheiders Reifenprobleme am Ende kennen. Während Mattias Ekström, der zunächst im Gleichschritt mit Scheider unterwegs war, am Schluss noch richtig Gas geben konnte, musste der Deutsche einen unliebsamen Zusatzstopp einlegen - ein Phänomen, das man sich zunächst nicht hatte erklären können. "Mittlerweile wissen wir: Es gab mehrere Gründe", so Scheider.

"Am Anfang war klar: Wenn wir zusammen sind, schauen wir, dass im DRS-Fenster einer zehn Runden zieht und dann der andere, um so die Reifen zu schonen. Vielleicht habe ich hier am Anfang zu hart gepusht, um den Speed hochzuhalten, weshalb die Reifen später eingegangen sind." Zum anderen sei er auf einem etwas anderen Set-Up unterwegs gewesen. In Bezug auf die Option-Reifen habe man also wohl einfach zu viel Risiko genommen. Trotzdem verteidigte der 34-Jährige die Herangehensweise. "Das war unsere einzige Variante, um noch Richtung Punkte zu schielen und es gab durchaus Strecken, auf denen es mit zwei kurzen und einem langen Stint aufging." In der Lausitz habe man das Risiko ob des schlechten Startplatzes eingehen müssen. "Das Ziel lautet deshalb, schon im Qualifying besser zu sein." Mit Blick auf das Eingehen der Pneus meinte Scheider trotzdem: "Ich hoffe, das bleibt ein Ausrutscher. Wir haben die Unterschiede beim Set-Up, Fahrstil und Speed sauber analysiert und daraus gelernt - das wird uns so nicht mehr passieren."