MSM: Wie zufrieden ist Hankook mit dem bisherigen Saisonverlauf?
Michael Eckert: Generell haben wir unsere Ziele erreicht. Wir sind zufrieden, aber wir wollen keinesfalls abheben und sagen: "Unser Reifen ist der Beste." Deshalb lassen wir uns von den Fahrzeugherstellern ständig die neuen Erkenntnisse mitteilen, analysieren unsere Reifen und gehen auf Wünsche und Anregungen der Teams ein. Wir bekamen schon während der Reifenentwicklung im vergangenen Winter von Audi, Mercedes-Benz, der ITR, DMSB und dem Lastenheft gewisse Vorgaben, was der Reifen am Ende für eine Laufleistung erreichen muss, wo die Performance anzusiedeln ist und wie groß der Abbau über eine gewisse Distanz sein darf. Der Reifen sollte fahrbar sein, ohne dass er sich zu schnell erhitzt oder die Karkasse beschädigt wird, dementsprechend wurden die Spezifikationen fixiert. Was sehr gut funktioniert hat, war die Übertragung der Prototypen-Fertigung aus unserem Entwicklungszentrum, wo eine kleinere Stückzahl für die Tests gefertigt wurde, in die Serienfertigung in unserem Straßenreifenwerk Daejeon/Korea. Aus diesem Werk kommen alle Slicks und Regenreifen für die aktuelle DTM-Saison. Die Rückmeldung der Fahrzeughersteller und Fahrer besagt, dass wir wirklich die Reifen liefern, die sie selektiert haben.

Speziell für das Kurvenverhalten der Reifen bekam Hankook positive Rückmeldungen, Foto: Audi
Speziell für das Kurvenverhalten der Reifen bekam Hankook positive Rückmeldungen, Foto: Audi

Wie sah die Reifenperformance in den bisherigen Rennen aus?
Michael Eckert: Wir hatten Rennen, in denen speziell die Karkasse beansprucht wurde, zum Beispiel durch das Überfahren der Kerbs in Hockenheim. Genauso hatten wir Strecken, wo der Abrieb bzw. die Temperatur der Lauffläche ein sehr hohes Niveau erreichten, das war zum Beispiel in Zandvoort der Fall. Die beiden härtesten Bedingungen für die Slicks haben wir mit Bravour bestanden. Was den Regenreifen angeht, sind wir insgesamt zufrieden, besonders auch, was die Haltbarkeit und die Performance betrifft. Laut den Fahrern verhält sich der Reifen speziell in den Kurven gut. In Spielberg trat das Problem auf, dass die Start-Ziel-Gerade neu asphaltiert wurde und der Asphalt sehr feinporig war und kaum Wasser aufnahm. Gleichzeitig war die Gerade sehr uneben, wodurch die Autos zum "Bouncen" neigten und dann hat man schnell den Aquaplaning-Effekt, also dass man einen Wasserkeil zwischen Asphalt und Reifen hat.

Was war die größte Herausforderung bei der Reifenentwicklung?
Michael Eckert: Die größte Unbekannte war für uns der Abtrieb der DTM-Autos im Vergleich zu anderen Autos zum Beispiel aus der GT-Serie. Wir haben von den Autos natürlich Referenzwerte, aber wenn man es mit einem Ferrari beim 24h-Rennen am Nürburgring vergleicht, dann ist der Ferrari vom reinen Speed her schneller als ein DTM-Auto, kommt aber nicht an die Abtriebs-Werte heran. Die Aerodynamik ist bei den DTM-Autos sehr viel ausgefeilter und bringt erheblich mehr Last auf die Reifen. Ansonsten mussten wir abdecken, dass die Reifen auf griparmen Strecken wie am Norisring funktionieren. Ich denke, das haben wir ganz gut hinbekommen.

Welche Erfahrungswerte aus anderen Rennserien ließen sich auf den DTM-Reifen übertragen?
Michael Eckert: Wir haben zu Beginn einen konservativen Reifen entwickelt - auch von der Gummi-Mischung her. Dann wurde ein Kompromiss-Reifen gewählt, der für beide Hersteller nicht nur akzeptabel, sondern auch sicher und ausgewogen war, womit von der Performance-Seite niemand bevorzugt wurde. Alles, was wir in den bisherigen Rennen gelernt haben, werden wir in die zukünftigen Reifen einfließen lassen. Bisher konnten wir durch den regen Austausch mit den Herstellern und Daten-Ingenieuren sehr viele Daten sammeln und haben jetzt viel mehr Einblick. Daraus resultierend können wir zukünftig andere Materialmixe verwenden oder andere Karkassen aufbauen. Wir haben durch die DTM sehr stark dazu gelernt.

Neues Reglement, neue Reifen - inwieweit blickt Hankook bereits auf 2012?
Michael Eckert: Wir stehen stetig in Gesprächen mit allen drei Herstellern, was 2012 angeht. Nächstes Jahr wird BMW in die DTM zurückkehren, es werden komplett neue Autos konstruiert und es werden neue Reifendimensionen gefahren. Das macht eine neue Reifenentwicklung notwendig, wobei wir die Anregungen der Teams durchaus einfließen lassen. Im jetzigen Stadium lässt sich das noch berücksichtigen, ab Herbst beginnen dann die Reifentestes. Dort wollen wir zu 90 Prozent unsere Ziele bereits erreicht haben. Im Stadium, in dem der Reifen jetzt bereits entwickelt ist, können die Teams im Rahmen der Möglichkeiten mittels Setup-Abstimmungen, Dämpfern, Federn, Spur- und Sturzeinstellungen arbeiten. Man kann mit dem Luftdruck einiges korrigieren, wenn das Auto mit einem Standard-Setup auf einer speziellen Strecke zum Über- oder Untersteuern neigt. Da kann man mit dem Luftdruck entgegenwirken und das Auto beispielsweise etwas neutraler machen.

Wie geht es in Sachen 2012 weiter?
Michael Eckert: Wir haben die ersten Basis-Reifen an die drei Hersteller rausgegeben. Je nachdem, wann sie mit den Chassis fertig sind, beginnen auf verschiedenen Rennstrecken die Ausfahrten mit den neuen Reifen. Bis zum Herbst wird mit diesem Basis-Reifen gefahren. Nach den Tests im Windkanal müssen die Teams die Aerodynamik und andere Elemente wie Kühlsysteme, Getriebe, Dämpfer und Radaufhängung auf der Rennstrecke überprüfen. Es gibt insgesamt 53 gleiche Teile, die von allen drei Herstellern genutzt werden. Diese können allerdings nur erprobt werden, wenn das Auto bewegt wird - dafür brauchen wir Reifen. Bei den Tests wird sich zeigen, wo wir noch etwas verändern müssen. Mit Sicherheit wird der neue Reifen so sicher sein wie der aktuelle, aber im Zuge der Entwicklungsfahrten im späten Herbst werden wir uns noch mehr auf den Performance-Level konzentrieren. Um die Weihnachtszeit muss der Reifen von allen drei Herstellern fixiert werden und dann beginnen wir mit der Fertigung für 2012.

Beim Setup gibt Hankook den Herstellern jeweils Empfehlungen. Alles weitere erarbeiten die Teams selbst., Foto: Audi
Beim Setup gibt Hankook den Herstellern jeweils Empfehlungen. Alles weitere erarbeiten die Teams selbst., Foto: Audi

Wie schwierig ist es den Wünschen und Vorstellungen der Hersteller zu entsprechen?
Michael Eckert: Aktuell müssen sie mit dem Reifen - wie er ist - alle Veranstaltungen fahren. Wir geben den Teams Empfehlungen zum Fahrzeugsetup, die diese entsprechend berücksichtigen. Die Teams absolvieren am Freitag im Training unterschiedliche Programme. Ein Pilot fährt beispielsweise Longruns, während eine andere Pilotin währenddessen verschiedene Qualifyingsimulationen mit verschiedenen Setups und Reifendrücken absolviert.

Welcher Fahrstil kommt dem Hankook-Reifen entgegen?
Michael Eckert: Ein runderer Fahrstil kommt dem Reifen eher entgegen. Der Fahrer sollte nicht zu spitz oder zu stark in die Kurve einlenken. Er sollte rund fahren, weil wir auf der Hinterachse eine sehr gute Traktion haben und die kann der Pilot nur einsetzen, wenn er sich frühzeitig am Kurvenausgang positioniert und dadurch wieder frühzeitig aufs Gas gehen kann.

Das Interview mit Hankook-Reifeningenieur Michael Eckert stammt aus der Printausgabe des Motorsport-Magazins. Mehr Technikhintergründe, Interviews und Reportagen lesen Sie im Motorsport-Magazin - im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder am besten direkt online zum Vorzugspreis bestellen: