Die Rallye Dakar versank in Bolivien im Chaos. Von den fünf dort gestarteten Etappen mussten zwei abgesagt und drei verkürzt (zwei davon sogar um die Hälfte) werden. Grund waren die Dauerregenfälle, die ganze Landmassen in Bewegung setzten und für schwere Erdrutsche sorgten. Motorsport-Magazin.com nahm Renndirektor Etienne Lavigne ins Kreuzverhör:

Warum wurde im Vorfeld keine alternative Route ausgearbeitet, beispielsweise mit mehr Schotteranteil? Es war ja klar, dass die Dakar im Januar in Bolivien in die Regenzeit fährt.
Etienne Lavigne: Das meteorologische Phänomen, das uns hier heimgesucht hat, betrifft ja eine viel größeres Areal als die Orte, an denen die Rallye stattfindet. Insofern hätte uns eine andere Route auch nicht weitergeholfen. Das Wetter ist seit der ersten Dakar in Südamerika 2009 ein wichtiger Faktor. Außerdem darf man nicht vergessen, dass auch bei der alten Dakar in Afrika bereits Etappen wegen der Wetterlage abgesagt werden mussten.

Wie wurde die am Mittwoch abgesagte Sonderprüfung vorbereitet?

Etienne Lavigne: Wir fahren einen potentiellen Kurs mehrere Male ab und legen die Gesamtstrecke fest, wobei wir dann auch gleich entscheiden, wo die Zuschauerpunkte sein werden etc. Dabei sind die Wetterbedingungen natürlich die einzige Unsicherheit, da wir ja Monate vor der eigentlichen Rallye die Strecken befahren. In diesem Fall konnte niemand vorausahnen, dass ein Erdrutsch ein ganzes Dorf wegfegen würde und eine Straße blockieren würde. Es ist unmöglich, für jeden einzelnen Kilometer eine Alternative bereit zu haben.

Ellen Lohr: Nächste Etappe bei der Dakar abgesagt (04:15 Min.)

Unwetter haben die Biwaks in Schlammlandschaften verwandelt - in Ororu war der Morast knietief. Warum sind die Biwaks nicht besser gegen Wasser geschützt?
Etienne Lavigne: In Oruro sind 50 Millimeter Regen pro Stunde niedergegangen, das ist wirklich außergewöhnlich. Die ursprüngliche Planung war ein anderes Biwak, aber die bolivianische Regierung wollte aufgrund der zu der Zeit herrschenden Wasserknappheit lieber dieses Biwak für die Dakar. Wenn wir uns zurückerinnern an jenes in Salta 2015: Das hatte Gras und Asphalt und lag direkt bei der Stadt, aber aufgrund eines Gewittersturms lag es quasi in Trümmern. Busse steckten im Matsch fest und am Ende fiel die gesamte Elektrik aus, so dass alle ohne Licht im Cateringbereich ausharren mussten.

Warum wurde die neunte Etappe am Mittwoch nicht einfach später gestartet oder verkürzt?

Etienne Lavigne: Man benötigt zwischen sechs und sieben Stunden um Salta (Ziel der 9. Etappe) auf der alternativen Serviceroute, die wir nach dem Erdrutsch ausgegeben haben, zu erreichen. Um neun Uhr morgens hatten nur 85 (von 134) Motorradfahrer, 23 Autos und 24 Trucks das Biwak erreicht. Das gleiche gilt für die Servicefahrzeuge und dann kommt noch der Fakt hinzu, dass alle auf dem Weg in das Biwak nach der Marathon-Etappe waren. Wie hätten die Rennautos denn da vorbereitet werden sollen, noch dazu für die härteste Stage der Rallye?

Wie geht ihr mit den Wettervorhersagen um?
Etienne Lavigne: Wir haben ein genaues Auge auf das Wetter. In der Organisation haben wir einen eigenen Mann dafür. Trotzdem kann sich das Wetter hier von einer Stunde zur anderen ändern, deshalb reagieren wir auch kurzfristig. Nach unserer Meinung muss ein verantwortungsvoller Veranstalter die Sicherheit als oberste Priorität setzen.