Es gibt diese Momente, die man einfach nicht mehr vergisst. Hockenheim 2012, großes DTM-Finale vor ausverkauftem Haus. Das Rennen war gut, Bruno Spengler schnappte sich seine erste Meisterschaft mit BMW. Doch ist ist nicht das große Feuerwerk nach dem Zieleinlauf, das mir in Gedanken geblieben ist. Es ist Alex Zanardi, der kurz vor Rennbeginn eine Ehrenrunde mit seinem Handbike drehen durfte. Noch heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich an diese Szene denke. Ausnahmsweise saß ich einmal auf der Tribüne statt im Media Centre, erlebte die Emotionen auf den Rängen hautnah. Ein wirklich magischer Moment, als dieser Zanardi unter dem riesigen Kollektiv-Jubel der Zuschauer seine Runde abspulte.

Zanardi kam zeitweise kaum auf seinem Handbike voran, als er sich winkend und den Daumen in die Höhe streckend für die Ovationen bedankte. Man hatte wirklich das Gefühl, er wolle jedem Fan einzeln die Hand schütteln. An dieser Stelle möchte ich sagen: Danke, Alex! Danke für einen weiteren tollen Sportmoment und auch Danke dafür, dass es Typen wie dich in der Umgebung gibt, in der ich arbeiten darf.

Es sind nicht immer nur die großen sportlichen Erfolge, die in die Historie eingehen. Es sind vielmehr die Geschichten dahinter. Das Menschliche. Oft verhüllt durch einen Helm und wahnsinnige Geschwindigkeiten, steht dahinter doch immer ein Mensch. Alex Zanardi ist einer dieser Menschen, die ich bewundere. Nicht, weil er in der Formel 1 fuhr und zweimal die ChampCar-Serie gewann. Auch nicht, weil er sich nach seinem schweren Unfall 2001 in der Lausitz nur zwei Jahre später wieder zurück ins Renncockpit kämpfte. Oder zweimal Gold bei den Paralympics gewann.

Sondern einfach, weil ich selten zuvor einen Menschen erlebt habe, der einer Sache mit einer derartigen Leidenschaft nachging. Zanardi wollte immer nur eines: Rennfahren, koste es was es wolle. Dieses Jahr kehrt er als BMW-Werksfahrer in den Sport zurück, startet in der Blancpain GT Sprint Series. Natürlich hätte er seine tragische Geschichte als Mitleidsnummer verkaufen, damit Geld machen und bestimmt ein Renncockpit ergattern können. Doch Zanardi wollte nie dieses Mitgefühl, sagte, dass er es satt habe, immer nur bemitleidet zu werden. Auch drängte er selbst nie in die Vorbild-Rolle - im guten Wissen, dass es weitaus schlimmere Geschichten auf der Welt gibt.

"Ich bin doch nur Sportler. Ich bin kein Magier, ich kann niemanden heilen", sagte er einmal gerade heraus. Recht hat er. Und genau das macht den Italiener zum großen Vorbild, nicht nur im Sport. Zanardi nahm die Rolle des armen, bemitleidenswerten Krüppels nicht an, sondern suchte einen Weg, wieder zurück ins Leben - und schließlich in den Motorsport - zu finden. Weil er immer wusste, dass es auf der Welt weitaus tragischere Ereignisse gibt als einen Rennfahrer, der nach einem schrecklichen Unfall mit dem Leben davonkam.

Sinnbildlich dafür eines meiner Lieblingszitate der vergangenen Jahre. Zanardi antwortete einmal auf die Frage, ob er seinen Unfall ungeschehen machen würde, wenn er könnte: "Ich kann meine Prothesen anlegen, meine Frau küssen, in ein Flugzeug steigen und nach China fliegen. Ich kann dort mit meinen Jungs an der Bar ein Bier trinken. Das bedeutet Unabhängigkeit. Warum sollte ich das Risiko eingehen, das aufs Spiel zu setzen?" Auf der Strecke werden ihn seine Gegner respektieren, aber garantiert keinen Platz aus Mitleid machen - Zanardi weiß das und genauso will er es auch.