Fast 250 Fahrer kamen bisher bei der Tourist Trophy ums Leben. Eine erschreckende Anzahl bei bisher 100 Ausgaben des legendären Rennens auf der Isle of Man. Diskussionen über ein Verbot der Tempohatz auf kurvigen Landstraßen und mitten durch ungesicherte Ortschaften gab es immer wieder. Zeitgemäß sei die TT schon lange nicht mehr, meinen ihre Kritiker. Doch das Rennen übersteht alle Trends und ist heute populärer denn je. Gefahr bedeutet im Motorradsport eben immer auch eine gewisse Faszination.

Rund um die Isle of Man gibt es unzählige Passagen, in denen dem Zuseher der Atem stockt. Die weltbesten Road Racer passieren sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Jeder Abschnitt dieser Strecke ist für sich etwas Besonderes, wir haben für euch aber sechs ganz besondere Stationen auf einer Runde auf der Isle of Man ausgewählt. Aufsitzen und festhalten, es wird gefährlich!

Bray Hill

Die Tourist Trophy wird als Zeitfahren ausgetragen. Die Piloten werden also einzeln im Abstand von wenigen Sekunden auf die knapp 61 Kilometer rund um die Insel geschickt, sechs Umläufe gilt es abzuspulen. Bereits nach ein paar hundert Metern wird es in Runde eins erstmals ernst. Mitten im Hafenstädtchen Douglas gilt es 'Bray Hill' zu meistern. Hierbei handelt es sich um einen steil abschüssigen Streckenabschnitt, der in einer leichten Kurve durchfahren wird und auf die eine heftige Kompression sowie eine ebenso steile Bergaufpassage folgt.

Extrem kritisch ist der Abschnitt nach der Kompression. Bei weit über 250 Stundenkilometern wird die Federung der Motorräder zunächst massiv belastet, was in der Folge zu einer Entlastung führt, wodurch die Maschinen extrem viel Grip verlieren. Zusätzlich verkompliziert wird 'Bray Hill' dadurch, dass es der erste wirklich anspruchsvolle Teil der Strecke ist. Die Reifen sind also noch nicht auf Betriebstemperatur, die Piloten teilweise ebenso wenig. Noch dazu beeinträchtigt der bis zur Oberkante gefüllte Tank das Fahrverhalten der Motorräder natürlich zusätzlich negativ.

Crosby Crossroads

Bis zu unserem nächsten Höhepunkt auf einer Runde um die Isle of Man sollte man etwaige Aufwärmübungen hinter sich gebracht und ein Gefühl für das vollgetankte Motorrad gefunden haben, denn es folgt die erste große Mutprobe. Wir rasen auf 'Crosby Crossroads' zu. Im sechsten Gang geht es in einer langgezogenen Linkskurve durch die dem Streckenteil namensgebende Ortschaft Crosby in Richtung eines mächtigen Sprungs.

Ist man schnell genug unterwegs, verliert man hier zwangsläufig den Kontakt zum Boden. Die Flugzeit kann nur minimiert werden, in dem man sich so weit wie möglich rechts auf der Strecke hält, den dort befindlichen Randstein aber im Idealfall nicht touchiert. Der Sprung muss sitzen, denn bei der hier erreichten Geschwindigkeit kommt die folgende Rechts-Links-Kombination schneller, als einem lieb ist. In Anbetracht von kantigen Steinmauern und mächtigen Bäumen am Streckenrand ist ein Sturz hier alles andere als ratsam.

Ballacraine

Der Snaefell Mountain Course, benannt nach dem mit 621 Metern höchsten Berg der Insel, wurde in den über 100 Jahren seit seinem erstmaligen Befahren unzählige Male verändert. Manche Streckenteile wurden aufgegeben und neue hinzugefügt, in vielen Passagen wurden neue Routen gewählt. Eine Kurve hat aber all die Veränderungen völlig unbeeinflusst überstanden: 'Ballacraine', nach gut zwölf Kilometern auf der Runde. Hier dreht die Strecke mit einer engen Rechtskurve in Richtung Nordwesten.

Die Anfahrt zu 'Ballacraine' ist extrem schnell, die Kurve für Isle-of-Man-Verhältnisse ziemlich langsam. Das erfordert ein hartes Anbremsmanöver, das in Schräglage beginnt und dadurch zusätzlich erschwert wird. Dennoch muss die Verzögerung optimal getimt sein, um maximalen Speed in die Kurve und die darauf folgende steile Bergaufpassage mitzunehmen. Gelingt das nicht, ist man versucht, im folgenden Rechtsbogen Zeit gutmachen zu wollen, was schon oft zu Körperkontakt mit der Mauer an der Kurveninnenseite geführt hat.

Lambfell

Dieser Teil wird dem Namen 'Mountain Course' absolut gerecht. Die Strecke erinnert hier an ein Bergrennen im alpinen Raum. Links und rechts der Straße ragen steile Erdwalle auf. 'Lambfell' zieht sich vom Fuß eines kleinen Hügels über den Anstieg hoch und besteht aus einer komplexen Kurvenkombination. Ein Rechtsknick wird gefolgt von einer Linkskurve, im Anschluss passiert dasselbe noch einmal. Die Kurven liegen so nah beieinander, dass dazwischen absolut kein Raum für Korrekturen bleibt. Verpasst man den ersten Scheitelpunkt nach rechts, büßt man dafür auch in den kommenden drei Kurven.

Das ist besonders bitter, weil auf der Anhöhe nach 'Lambfell' die erste längere Gerade der Strecke folgt. Hat man das Kurvengeschlängel gut hinter sich gebracht, kommt man hier mit einem wertvollen Geschwindigkeitsbonus an und kann erstmals ein wenig Luft schnappen. War die Linie nicht ideal, verliert man in der Folge eine Menge Zeit. Die Entspannungsphase im kurvenlosen Abschnitt wird dann auch weniger erfolgreich ausfallen.

Ballaugh Bridge

Wer sich im Renntempo über die Isle of Man wagt, sollte zuvor den Zahnarzt seines Vertrauens konsultieren und von ihm überprüfen lassen, ob auch alle Füllungen noch richtig fest sitzen. Der Grund für diese Vorsichtsmaßnahme heißt 'Ballaugh Bridge' und ist die einzig verbliebene gewölbte Steinbogenbrücke auf dem Snaefell Mountain Course. All ihre Geschwister wurden entweder aus der Streckenführung genommen oder im Laufe der Jahre geebnet.

Schon beim Anbremsen zur 'Ballaugh Bridge', die beim Durchfahren eine Links-Rechts-Schikane beschreibt, geht es ruppig zur Sache. Viele, teilweise große Bodenwellen erschweren ein kontrolliertes Anbremsen. Ist das gelungen, geht es über die Brücke, die aufgrund ihres steilen Bogens zu Sprüngen mit mächtigem Luftstand führt, die Landung erfolgt im Flachen. Hier darf sich freuen, wer gute Federungselemente sein Eigen nennt.

Guthrie Memorial

Nach ziemlich genau zwei Dritteln der Strecke lassen wir die letzte größere Ortschaft vor der Rückkehr nach Douglas hinter uns. Es geht auf die weiten, freien Flächen in Richtung des Snaefell, der auf etwas mehr als 400 Metern Seehöhe, also etwa 200 Meter unter seinem Gipfel, passiert wird. Nun folgen die schnellsten Teile der Strecke, eröffnet werden sie vom Abschnitt 'Guthrie Memorial'.

Im Anschluss ist einige Kilometer lang fast Vollgas angesagt, Tempo mitnehmen ist hier also die oberste Prämisse. Mehrere flüssige Kurven reihen sich aneinander, wie so oft auf der Isle of Man zieht ein kleiner Fehler eine Kettenreaktion nach sich und man verliert extrem viel Zeit. Besonders knifflig machen 'Guthrie Memorial' die nach außen hängenden Kurven auf den Hängen des Snaefell, die regelrecht dazu einladen, mit zu großem Tempo in sie einzufahren. TT-Experten sehen die Ausfahrt aus dieser Kurvenkombination als eine der absolut wichtigsten Kurven für eine gute Rundenzeit an.

Hat man alles richtig gemacht und sämtliche der gut 200 Kurven wie geplant passiert, ist eine Runde in etwas mehr als 17 Minuten absolviert. Das bedeutet einen Schnitt von über 213 Stundenkilometern, den es insgesamt sechs Runden lang zu halten gilt. Was auf diesen mehr als 360 Kilometern mit den Piloten passieren wird, weiß vor dem Rennen niemand. Außer, dass am Ende definitiv der schnellste und mutigste von ihnen ganz oben auf dem Podium stehen wird. So schlagen die Sieger dem Tod ein Schnippchen und krönen sich zu lebenden Legenden.