Die Trainings laufen bereits, morgen geht es mit den Rennen los, alljährlich findet im Frühsommer auf der Isle of Man die Tourist Trophy, kurz TT statt. Unbestritten das legendärste Motorradrennen der Welt. Aber warum ausgerechnet auf einer kleinen Insel mitten in der irischen See? Nun, daran sind, im weitesten Sinne, die Wikinger schuld. Ein Blick auf die Geschichte der TT:

Isle of Man: Eigene Verkehrsregeln als Vorteil

Die ersten Motorradrennen fanden wahrscheinlich inoffiziell bereits ab dem Moment statt, als das Motorrad erfunden wurde. Ab etwa 1900 wurden diese Rennen organisierter, aber schnell setzte eine gewisse Limitierungswut ein. In Großbritannien wurden Rennen auf nicht permanenten Rennstrecken verboten, und permanente Rennstrecken gab es in dieser frühen Zeit so gut wie keine. Außerdem wurde 1903 ein generelles Tempolimit von 20 Meilen pro Stunde verhängt. Da schlug die Stunde der Isle of Man: Weil sie direkt der britischen Krone untersteht und nicht zum Vereinigten Königreich gehört, kann das dortige Parlament eigene Gesetze und Verkehrsregeln aufstellen.

So traten am 28. Mai 1907 bereits 25 Fahrer zum ersten Rennen auf einem Rundkurs, dem etwa 25 Kilometer langen St John´s Course, über die Straßen der Insel an. Den ersten Sieg in der Zweizylinder-Klasse, der damaligen Königsklasse, holte sich Rem Fowler. Mit der heutigen TT hatte das Rennen allerdings noch wenig gemeinsam. Im Gegensatz zu Schutzkleidung, die noch optional war, waren nämlich Pedale an den Maschinen vorgeschrieben. Eine Besonderheit aber blieb der TT bis heute erhalten: Sie wird als Time Trial und nicht als Massenstart ausgetragen. Der Fahrer mit der höchsten Durchschnittsgeschwindigkeit gewinnt, nicht derjenige, der als Erster über den Zielstrich fährt.

Rem Fowler gewann die Tourist Trophy 1907, Foto: IoMTT
Rem Fowler gewann die Tourist Trophy 1907, Foto: IoMTT

Der Snaefell Mountain Course

Seit 1911 nutzt die TT den Snaefell Mountain Course, der nach einer Passage an der Küste entlang und durch die Inselhauptstadt Douglas in die beinahe unbewohnten Berge im Inselinneren führt. Die 60,725 km lange Strecke wurde anfangs nur für die Rennen, nicht aber für die Trainings gesperrt, so dass es 1927 zu einem schweren Unfall kam. Archie Birkin verunglückte im morgendlichen Training tödlich, als er einem Lieferwagen ausweichen musste und in eine Mauer prallte. Seither wird die Strecke auch für alle Zeittrainings für den fließenden Verkehr gesperrt.

1939 schrieb der Deutsche Schorsch Meier Geschichte, der als erster Nicht-Brite die Senior-Klasse für sich entscheiden konnte. Unterbrechungen gab es bei der jährlich ausgetragenen Tourist Trophy in ihrer mehr als hundertjährigen Geschichte nur zwei Mal: 1915 bis 1919 für den Ersten, 1940 bis 1946 für den Zweiten Weltkrieg.

Motorrad-WM auf der Isle of Man

Mike Hailwood trat bei WM-Läufen auf dem Mountain Course an, Foto: IoMTT
Mike Hailwood trat bei WM-Läufen auf dem Mountain Course an, Foto: IoMTT

Nach dem Krieg erlebte die TT ihre Glanzzeit: Von 1949 bis 1976 wurde sie als Lauf der Motorrad-Weltmeisterschaft ausgetragen. Immer wieder aber kam es zu schweren Unglücken, so dass ab 1972 zahlreiche Spitzenfahrer um Giacomo Agostini, Phil Read und Barry Sheene den WM-Lauf boykottierten und die Isle of Man ab 1977 aus dem WM-Kalender gestrichen wurde. Seither hat sich eine ganz eigene TT-Fahrerklasse etabliert, die zu einem großen Teil aus irischen und britischen Straßenrennfahrern besteht.

Was haben nun die Wikinger damit zu tun?

Um zu verstehen, was die Wikinger mit der TT zu tun haben, muss man einen Blick in die Vergangenheit der Insel werfen. Vor einem Jahrtausend nämlich benutzten Wikinger die damals verkehrsgünstig gelegene Isle of Man als Ausgangspunkt für Plünderfahrten nach Irland und Wales und etablierten dort ein eigenes Herrschaftsgebiet, das nominell dem norwegischen König unterstand, aber eigentlich von einem eigenen Parlament, dem Tynwald, regiert. Die Insel wechselte später zwar in den Besitz der schottischen, dann der englischen Krone, doch der Tynwald existiert seit mindestens 979 ungebrochen. Genau dieser Tynwald war es, der 1907 im Gegensatz zum britischen Parlament, Motorradrennen auf den Straßen erlaubte, auch heute noch unterstützt dies Regierung von Man die TT. Da die Insel obendrein als Kronland nicht zur EU gehört, können auch deren Regelungen umgangen werden, sollte es für die TT nötig sein. Ein Tempolimit gibt es auf der Isle of Man übrigens außerhalb geschlossener Ortschaften nach wie vor nicht.

Der Kanadier Alec Bennett holte in den 20er Jahren fünf TT-Siege, Foto: IoMTT
Der Kanadier Alec Bennett holte in den 20er Jahren fünf TT-Siege, Foto: IoMTT

Auch der Name des Snaefell Mountain Course selbst stammt aus der Wikingerzeit. Er ist nach dem höchsten Berg der Insel, dem 621 Meter hohen Snaefell, benannt, an dem die Strecke vorbei führt. Snaefell wiederum kommt vom Altnordischen Snae und Fell und heißt wörtlich übertragen Schneeberg. Ohne die politischen Besonderheiten der Isle of Man, die aus der Wikingerzeit herrühren, wäre das legendäre Motorrad-Event dort also gar nie entstanden.