Doch letztlich begründete er bei Ford jenes Segment, in dem ab 1968 der Escort durchstartete - und von dem zieht sich eine direkte Abstammungslinie bis zum heutigen Ford Focus.

Der frühe Projektname "Cardinal" bezeichnete übrigens keinen kirchlichen Würdenträger, sondern eine Vogelart - so wie die größeren US-Modelle Ford Falcon oder Ford Thunderbird. Bisweilen erinnerte er die Entwickler in Köln jedoch eher an ein anderes Phänomen aus der Vogelwelt: das Kuckucksei.

Aber der Reihe nach: Die Strategen im Mutterhaus von Ford in Dearborn hatten Ende der 1950er erkannt, dass ein eigenes "Compact Car" her müsse, um den Boom europäischer Kleinwagen in den USA zu kontern. Da lag es nahe, gleich die europäischen Töchter mit diesem Projekt zu beauftragen, die sich mit dieser Fahrzeugklasse bestens auskannten. Umso mehr, da in Köln-Merkenich bereits an einem modernen Nachfolger für den in die Jahre gekommenen G13/G4B getüftelt wurde. Erstes Ergebnis dieser Arbeit war der Prototyp "NPX-C5", eine zweitürige Stufenheck-Limousine mit einem 1,0- oder 1,2-Liter-Frontmotor und Hinterradantrieb. Bei 3,70 Metern war der NPX zwar kürzer als der aktuelle 12 M, bot aber mindestens ebenso viel Platz im Innenraum.

Deutsch-amerikanische Koproduktion

Die bescheidenen Maße beeindruckten die US-Kollegen allerdings wenig. Nun lautete der Plan, selbst eine Kompakt-Limousine zu entwerfen und diese in Deutschland für die USA bauen zu lassen - versehen mit dem Gütesiegel "Made in Germany". Die grundsätzliche Linienführung des deutschen NPX nahmen sie auf, in Länge und Breite legte der US-"Cardinal" allerdings deutlich zu. Vor allem erhielt er eine längere Frontpartie, denn unter der Haube sollte eine für dieses Segment revolutionäre Bauweise einziehen: ein V-Motor mitsamt Frontantrieb.

Im Laufe des transatlantischen Wechselspiels flossen letztlich sowohl Elemente des NPX und des Cardinal in die endgültige Version ein., Foto: Ford
Im Laufe des transatlantischen Wechselspiels flossen letztlich sowohl Elemente des NPX und des Cardinal in die endgültige Version ein., Foto: Ford

Die Amerikaner tauschten sich über dieses außergewöhnliche Fahrzeug intensiv mit ihren Kölner Kollegen aus. Im Laufe des transatlantischen Wechselspiels flossen letztlich sowohl Elemente des NPX und des Cardinal in die endgültige Version ein - manches Mal in harten Verhandlungsrunden festgezurrt. So erhielt der zukünftige Taunus P4 eine für die europäische Kompaktklasse sehr üppige Länge von 4,32 Metern. Dafür beschieden sich die US-Entwickler mit einem Hubraum von "nur" 1,5 Litern - den die Deutschen bis zum Marktstart nochmals um 300 ccm verringerten.

Kurz bevor das "Projekt 4" schließlich zur Serienreife gediehen war, entschloss sich die Konzernzentrale, das Auto weder in den USA zu fertigen noch es dorthin zu importieren. Dafür spendierte sie der deutschen Tochter ein hochmodernes Motoren- und Getriebewerk in Köln-Niehl, das innerhalb von nur anderthalb Jahren seinen Betrieb aufnahm.

Platzangebot wie in einem Mittelklassewagen

Im September 1962 präsentierte Ford den Neuling schließlich der Presse - unter dem Namen Taunus 12 M und damit als Nachfolger des "Seitenstreifen-Taunus". Die Fachmedien reagierten ausgesprochen positiv: Durch den amerikanischen Einfluss hatte Ford in Deutschland jetzt ein Fahrzeug zu bieten, das in Anschaffung und Unterhalt etwa so günstig war wie ein Kompaktwagen, dabei aber Platzverhältnisse und Fahrleistungen wie in der Mittelklasse bot.

Nur ein Jahr nach Produktionsbeginn hatten bereits 160.000 neue P4 einen Käufer gefunden. Der 12 M bot eben exakt das, was seine designierten Rivalen Käfer und Kadett vermissen ließen: viel Platz. Weil der V4-Motor mit Getriebe, Differenzial, Antriebswelle und Kupplung eine Baueinheit bildete, ergab sich für die Passagiere ein ungewöhnlich großer Innenraum. Weder Getriebe- noch Kardantunnel schränkten im ebenen Wagenboden den Fußraum ein. Der Kofferraum bot mit 560 Liter Volumen ausreichend Platz für großes Gepäck. Zudem stand der hochmoderne Frontantrieb für ein besonders sicheres Fahrverhalten.

Ein stilprägendes Merkmal der Baureihe P4 bildete die markante "Bügelfalte", die sich über die gesamte Seitenlinie des Fahrzeugs zog, zum Heck hin verbreiterte und schließlich in tropfenförmigen Rückleuchten mündete. Dass diese keine Blinkereinsätze in Orange aufwiesen, sondern in Rot aufschimmerten, ging noch auf die US-amerikanischen Wurzeln des 12 M zurück.

Der großzügig geschnittene Innenraum bot fünf Personen Platz. Die breiten Türen erlaubten nicht nur bequemes Ein- und Aussteigen, sie fielen auch "mitternachtsleise" ins Schloss. Die Sitze waren mit einer auf die Außenfarbe abgestimmten Stoff-/Kunststoff-Kombination überzogen, das Dreispeichen-Sicherheitslenkrad lag bequem in der Hand. Der Instrumentenbereich mit einem quer verlaufenden, bis 140 km/h reichenden Tachometerband sowie Blinker-, Öldruck-, Ladestrom- und Fernlichtanzeige lagen breit im Blickfeld des Fahrers. Durch zwei Sperrklappen vor den Vordersitzen konnte Frischluft zugeführt werden und die Sonnenblenden waren gepolstert.

Kühlsystem ohne mechanisch angetriebenen Lüfter

Überzeugend wie die Ausstattung gab sich der Antrieb: Der überquadratische 1,2-Liter-Kurzhubmotor - mit einer Bohrung von 80 mm und einem Hub von 58,86 mm - bot beste Voraussetzungen für eine lange Lebensdauer. Für Laufruhe war ebenfalls gesorgt: Eine Ausgleichswelle konterte die Massenkräfte erster Ordnung elegant aus. Interessantes Detail: Das Kühlsystem des V4-Motors kam ohne mechanisch angetriebenen Lüfter aus - der folglich auch keine Antriebskraft schlucken konnte. Ein Prinzip, das heute bei der Suche nach optimaler Effizienz in ähnlichen Formen weitergeführt wird.

Der Taunus 12 M debütierte zunächst als zweitüriges Stufenheck, ab März 1963 gesellten sich der Viertürer und ein dreitüriger Kombi hinzu, der später auch als geschlossener Kastenwagen erhältlich war. Wenig später erschien das elegant gestreckte Coupé. Für diese bildschöne Version verkürzten die Designer das Dach und schufen dadurch völlig neue Proportionen mit einer flach abfallenden Heckscheibe. Ein Zierblech am unteren Ende der C-Säule vermittelte gar einen Hauch von Hardtop-Cabrio.

Neben dem 40-PS-Basistriebwerk mit 1,2 Liter Hubraum gab es den V4 in zwei 1,5-Liter-Versionen mit 50 (12 M) beziehungsweise 55 PS (12 M TS), wobei Letztere zum Modelljahr 1964 durch eine stärkere 65-PS-Ausführung ersetzt wurde. Das 12 M Coupé war aus-schließlich mit den 1,5-Liter-Aggregaten zu haben.

Die heute besonders gesuchte TS-Ausstattung umfasste neben dem kraftvolleren Triebwerk auch sportliche Einzelsitze vorn, eine Stoff-Kunststoffpolsterung, Veloursteppiche, einen Haltegriff für den Beifahrer sowie Chromzierleisten im Innenraum. Einziges äußeres Zeichen: das dezente Kürzel "TS" auf dem Kofferraumdeckel.

Die Weltrekordfahrt zum Mond

Einen spektakulären Beleg der Langlebigkeit des neuen Taunus 12 M - zum Teil sogar unfreiwillig - lieferte Ford mit einer nie dagewesenen Rekordfahrt: Im südfranzösischen Miramas sollte der P4 eine Langstreckendistanz bewältigen, die exakt der Entfernung zwischen Erde und Mond entsprach. Und der 12 M enttäuschte seine Väter nicht - nach 142 Tagen wurde das Rekordfahrzeug mit einem Kilometerstand von 358.273,8 zum letzten Mal an die Box beordert.

Aber auch das Glück des Tüchtigen stand dem Ford Taunus 12 M und seinen Betreuern bei dieser Pioniertat zur Seite. Am 29. Oktober gegen drei Uhr morgens war der Fahrer beim Kilometerstand 284.275 durch die monotonen Runden eingenickt und von der Piste abgekommen, hatte sich überschlagen, war aber auf allen vier Reifen wieder auf der Strecke gelandet. Der Fahrer, der den Unfall körperlich unversehrt überstanden hatte, schob den Havaristen aus eigener Kraft an den Kontrollpunkt - so verlangten es die strengen Bestimmungen der FIA, wenn das Projekt weitergehen sollte. Es ging tatsächlich weiter, wenn auch erst nach einer elfstündigen Reparatur mit bordeigenem Werkzeug - auch das eine FIA-Vorschrift. Der unkaputtbare, mühsam zusammengeflickte 12 M zog von nun an arg zerbeult, ansonsten aber ungerührt weiter seine Bahn. Noch weitere 14.785 Runden über 73.998 Kilometer, um genau zu sein.

Auch auf deutschen Straßen erwies sich der Ford Taunus 12 M, Generation P4, als wahres Erfolgsmodell. Bis 1966 die Ablösung in Form des P6 debütierte, waren rund 680.000 Exemplare des revolutionären Fronttrieblers gebaut worden, der von beiden Seiten des Atlantiks offenbar nur das Beste mit auf den Weg bekommen hatte.