Das legendäre 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring bekommt einen "kleinen Bruder". Erstmals in der Geschichte des Langstreckenklassikers wird es im Vorfeld des Events ein Qualifikationsrennen geben. Am 5. und 6. April 2014, also rund elf Wochen vor der eigentlichen Hatz zwei Mal rund um die Uhr, werden die Teams und Fahrer zum ersten Mal aufeinander treffen und in einem sechsstündigen Rennen gegeneinander antreten. Doch die Freude ist gespalten: Vor allem für die kleinen Teams wird der zusätzliche Termin zum tiefen Griff ins Portemonnaie.

Das sehen auch die User von Motorsport-Magazin.com so. 48 Prozent der Leser halten nicht viel vom neuen Event, da es vor allem für kleine Teams zu teuer ist. Immerhin 33 Prozent freuen sich jedoch über die zusätzliche Action auf der Nordschleife, während elf Prozent der Meinung sind, dass die Anzahl der Veranstaltungen bereits ausreichend ist.

"Wir wollen den Teams, die beim 24-Stunden-Rennen an den Start gehen, eine optimale Testmöglichkeit bieten - und zwar ohne den Druck einer Meisterschaft", begründet Walter Hornung, Rennleiter des 24-Stunden-Rennens und Sportleiter des veranstaltenden ADAC Nordrhein, die Entscheidung zum neuen Qualifikationsrennen.

24h-Zulassung an einem Wochenende

Doch die Testmöglichkeiten vor dem 24-Stunden-Rennen sind im Vergleich zu den Vorjahren ohnehin schon gewachsen. Erstmals werden die Test- und Einstellfahrten der VLN im kommenden Jahr auf zwei Tage ausgedehnt und auch die Anzahl der Rennen wird von drei auf vier steigen. "Der vorläufige Terminplan der VLN sieht vier Rennen vor dem 24-Stunden-Rennen vor", erinnert Udo Huppertz, Teamchef von Roadrunner Racing. "Das begrüße ich grundsätzlich. Fahrer, die die notwendige Anzahl an VLN-Rennen noch nicht haben, um am 24-Stunden-Rennen teilnehmen zu dürfen, können hier vorher ausreichend oft ins Lenkrad greifen."

Für alle neuen Piloten bietet sich durch das Qualifikationsrennen allerdings eine zusätzliche Möglichkeit, die Zulassung für den Langstreckenklassiker zu erhalten. Die Teilnahme am abendlichen Training sowie an zwei Stints im sechsstündigen Rennen reicht aus, um beim 24-Stunden-Rennen an den Start gehen zu dürfen. Das betrifft auch Piloten, die zwar über viel Rennerfahrung verfügen, diese aber noch nicht auf der Nordschleife unter Beweis stellen konnten.

"Wenn ich die Möglichkeit sehe, dass Fahrer, die zwei Stints und das abendliche Training bei diesem Qualifikationsrennen fahren, automatisch die Zulassung für das 24-Stunden-Rennen haben, könnte es für diejenigen Fahrer interessant sein, die eine weite, aufwendige Anreise an den Nürburgring haben, zum Beispiel außerhalb Europas", glaubt Huppertz im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Für die wäre es sicherlich günstiger in jeglicher Hinsicht nur einmal an den Ring zu reisen, um die Qualifikation zu erlangen." Ein Unfall oder Defekt könnte die Piloten allerdings um die notwendige Zulassung bringen und eine Teilnahme an den VLN-Rennen schließlich doch notwendig machen. Für die privaten Mannschaften, die ohnehin schon an der Grenze ihres Budgets arbeiten, wird ein Start in der VLN und zusätzlich beim Qualifikationsrennen allerdings ein Ding der Unmöglichkeit.

Für Roadrunner Racing, die ihre Cockpits wie viele andere Teams den Fahrern gegen entsprechendes Entgelt zur Verfügung stellen, ist das zusätzliche Rennen hingegen kein Problem. "Einzig die Buchungen der Fahrer entscheiden bei uns über eine Rennteilnahme", erzählt Teamchef Udo Huppertz. "Einfach gesprochen: Wenn sich Fahrer für diese Veranstaltung interessieren, werden wir daran teilnehmen."

Pro: Fahren in der Dunkelheit

Die Teams können bei Dunkelheit testen, Foto: Patrick Funk
Die Teams können bei Dunkelheit testen, Foto: Patrick Funk

Warum sollten die Teams also dennoch am neuen Quali-Rennen, das sich zusammen mit den Testsession und dem zweistündigen Qualifying über zwei Tage erstreckt, teilnehmen? Im Gegensatz zu den VLN-Rennen bietet das Qualifikationsrennen eine Besonderheit: für den Samstagnachmittag sind Trainingssitzungen geplant, die nach derzeitigem Planungsstand bis in die Dunkelheit gehen werden. "Das Fahren in der Dunkelheit kann an diesem Wochenende trainiert werden - womit wir unsere Bemühungen um mehr Sicherheit für die 24h-Teilnehmer weiter vorantreiben", erklärt Rennleiter Walter Hornung.

"Bisher ist aber noch nicht bekannt, welche Zeit den Fahrern im Dunkeln bleibt", mahnt Udo Huppertz, Teamchef bei Roadrunner Racing, allerdings. "Bei einem 6-Stunden-Rennen teilen sich bei uns drei Fahrer ein Auto. Da ich mir nicht vorstellen kann, dass das Rennen um 18:00 Uhr gestartet und damit um Mitternacht beendet sein wird, gehe ich davon aus, dass maximal ein Stint im Dunkeln gefahren werden kann oder vielleicht auch nur eine Stunde im abendlichen Training. Warten wir aber ab wie der Zeitplan ausschaut. Ohne diese Kenntnis ist es müßig darüber zu diskutieren." Gerade für Piloten, die sich das Auto mit zwei oder sogar drei weiteren Fahrern teilen, bleibt somit kaum Fahrzeit im Dunkeln.

Für alle Mannschaften soll sich die Teilnahme in Bezug auf die allgemeine Fahrzeit aber dennoch lohnen. "Damit die Teams auch bei technischen Problemen oder nach kleineren Unfällen möglichst viel zum Fahren kommen, werden wir die Trainingssessions durch kurze Pausen unterbrechen, um havarierte Fahrzeuge wieder ins Fahrerlager zu bringen", so Hornung weiter. Ein weiterer Pluspunkt gegenüber den VLN-Rennen, bei denen ein Ausfall meist das vorzeitige Ende bedeutet.

Contra: Viel zu teuer!

Dennoch sehen viele Beteiligte das neue Veranstaltungs-Format eher kritisch, insbesondere in Hinblick auf Kosten und Zeit. Bestreiten die Teams sowohl die VLN-Veranstaltungen als auch das Qualifikationsrennen, würde dies ein Nordschleifen-Marathon von vier aufeinanderfolgenden Rennwochenenden bedeuten. Gerade für die kleinen Teams stellt sich daher aus gutem Grund die Frage, ob eine Teilnahme am neuen Quali-Rennen wirklich nützlich ist, denn außer der Goldenen Ananas gibt es nichts zu gewinnen. Für eben diese Mannschaften bietet sich eher der Start in der VLN an, wo sie - dem ausgetüftelten Punktesystem sei Dank - sogar um die Gesamtwertung fahren können. Tim und Dirk Groneck haben es in diesem Jahr vorgemacht: Mit ihrem Renault Clio fuhren sie der starken Konkurrenz um die Ohren und sicherten sich im letzten Saisonrennen sogar den Titel.

Für kleine Teams wird das Rennen zum Griff ins Portemonnaie, Foto: Patrick Funk
Für kleine Teams wird das Rennen zum Griff ins Portemonnaie, Foto: Patrick Funk

Anders für die Top-Teams: Genau wie die ersten Läufe der VLN geht auch die neugeschaffene Veranstaltung in die Wertung für das Top-30-Qualifying mit ein. Zehn der 30 Startplätze für das Einzelzeitfahren werden beim Qualifikationsrennen vergeben. Hans-Peter Naundorf, Teamchef bei ROWE Racing, vermutet im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com, dass das neue Event vor allem für die großen Werke von Bedeutung sein könnte. So könnte die Fahrzeit auf der Nordschleife, die parallel zu Rennserien wie beispielsweise der DTM oder WEC ihren Platz finden muss, auf ein Wochenende komprimiert werden. Im Gegenzug dafür könnten die Werksteams zwei oder drei VLN-Läufe auslassen.

Aber auch für ROWE Racing bietet das Qualifikationsrennen einen Anreiz, da mehr Zeit zur Verfügung steht und zudem weniger Teilnehmer als bei einem VLN-Lauf erwartet werden. Allerdings mahnt Naundorf auch, den eigentlichen Reiz der VLN und des 24-Stunden-Rennens nicht zu vergessen. Für ROWE Racing ist nicht nur das 24-Stunden-Rennen, sondern die ganze VLN-Saison ein Highlight. Gerade die kleinen Teams machen die Rennen auf der Nordschleife des Nürburgrings zu etwas Besonderem.

Auch bei dem ein oder anderen Privatteam findet das neue Qualifikationsrennen aber Anklang. "Da das keine unattraktive Veranstaltung zu sein scheint, werden kleine Teams wieder einmal das Budget überprüfen müssen und gegebenenfalls ein oder zwei VLN-Rennen wegfallen lassen", hört man dieser Tage aus der Nordschleife-Gemeinde. Ein Punkt, der sicherlich auch der VLN sauer aufstoßen könnte.

Nachteil für die VLN?

"Grundsätzlich fällt die Bewertung dieses Plans aus VLN-Sicht in zwei Teile, einen wirtschaftlichen und einen sportlichen", berichtet Karl Mauer, Geschäftsführer der VLN, gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Aus wirtschaftlicher Sicht sieht die VLN das geplante 6-Stunden-Rennen, gerade wegen seiner Terminierung zwischen zwei VLN-Rennen, mit gewisser Sorge." Interessierte Teams werden kaum die finanziellen und personellen Kapazitäten haben, an drei Wochenenden nacheinander ein Langstreckenrennen am Nürburgring zu bestreiten, glaubt Mauer. "Sie werden sich also für VLN oder 6-Stunden-Rennen entscheiden müssen."

"Persönlich erwarte ich, dass gerade Teams mit großen SP-Fahrzeugen, die weniger die VLN-Gesamtwertung als ein möglichst gutes Resultat beim 24-Stunden-Rennen im Auge haben, sich für die Teilnahme am 6-Stunden-Rennen entscheiden werden", so Mauer weiter. "Auf sie zielt das derzeit bekannte Konzept in erster Linie ab." Die VLN wird also in den Läufen vor dem 24-Stunden-Rennen definitiv weniger Teilnehmer haben, vermutet er. Ein Umstand, der aus sportlicher Sicht jedoch zu ruhigeren und ausgewogeneren Rennen führen wird.

"Gerade die Massierung von GT3-Fahrzeugen, die VLN-Rennen als Training zum 24-Stunden-Rennen nutzten, hat in der Vergangenheit bisweilen zu heftigen Rennverläufen geführt, die nachweisbar Amateur-Teams von der Teilnahme an diesen Rennen abgehalten haben", erklärt Mauer. "Hier wird sich möglicherweise ein gewisser Ausgleich ergeben, wenn Teams den Eindruck haben, dass sie vor dem 24-Stunden-Rennen in der VLN harmonischere und ausgewogenere Rennverläufe als in der Vergangenheit erwarten können."

Nenngeld & Co.: Viele offene Fragen

Doch noch immer gibt es bei allen Beteiligten große Fragezeichen zum Qualifikationsrennen. "Derzeit stehen Rahmenbedingungen für das geplante 6-Stunden-Rennen wie Nenngeld, ausgeschriebene Klassen etc. noch nicht fest", erinnert VLN-Geschäftsführer Karl Mauer. "Ich denke, erst wenn diese Parameter veröffentlicht sind, kann man aus Sicht der VLN eine endgültige Bewertung der geplanten Veranstaltung abgeben."

"Müsste ich mit den zurzeit vorliegenden Informationen ein Resümee ziehen, wäre ich gegen ein solches Qualifikationsrennen", verrät Udo Huppertz, Teamchef von Roadrunner Racing. "Es geht keinem der Fahrer um das Erlernen der Strecke." Auch die beim 24-Stunden-Rennen gefahrene Variante fordert einen Piloten nicht wirklich mehr als jene bei der VLN. "Nach wie vor kommt es auf die Nordschleifenkenntnisse an", so Huppertz. "Und der zuvor gespielte Gedanke, dass ein auswärtiger Fahrer nur mal eben zu seiner allerersten Ausfahrt auf die Nordschleife im Rahmen des Qualifikationsrennens kommt und damit die Zulassung zum 24-Stunden-Rennen erhält, lässt es mir eiskalt den Rücken herunter laufen."

Unrecht hat Huppertz nicht, denn das Qualifikationsrennen stellt womöglich eine große Gefahr dar: Einerseits sollen die großen Teams durch die Möglichkeit der vorzeitigen Qualifikation zum Top-30-Qualifying angelockt werden, andererseits wird das neue Format auch unerfahrenen Piloten durch die schnelle Zulassung zum 24-Stunden-Rennen schmackhaft gemacht. Schnelle Autos und unerfahrene Piloten gemeinsam auf der gefährlichsten Rennstrecke der Welt? Riskant.

Ob sich das neue Qualifikationsrennen schlussendlich aber tatsächlich bewährt, wird sich wohl erst im kommenden Jahr zeigen...