"Ich bin überzeugt, dass zumindest eines unserer Autos ohne Probleme durchkommen und damit fix auf dem Podest der Gesamtwertung stehen wird." Starke Worte aus dem Mund eines Mannes, der mit seinem Team eigentlich nur als krasser Außenseiter in die 24 Stunden von Le Mans geht: Dominik Kraihamer von Rebellion Racing.

Die Schweizer Truppe kämpft seit Jahren als einsame Speerspitze der LMP1-Privatiers gegen die übermächtige Hybrid-Konkurrenz der großen Hersteller Audi, Porsche und Toyota. Doch warum wittern Rebellion und Kraihamer plötzlich ihre Chance? Im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com klärt der Österreicher auf:

Hightech-Hybrid als Achillesferse?

"Wir haben nach den ersten beiden Rennen und diversen Gesprächen mit Kollegen aus den Werksteams das Gefühl, dass es bei allen drei Marken viele Probleme gibt. Die Hybrid-Systeme scheinen technisch mittlerweile so ausgereizt zu sein, dass jeder Hersteller in diesem Bereich mit der Zuverlässigkeit zu kämpfen hat."

Dass man in der LMP1 auch als hybridloser David gegen die millionenschwere Goliath-Konkurrenz bestehen kann, zeigte Kraihamer mit seinen Schweizer Teamkollegen Alexandre Imperatori und Matheo Tuscher bereits in den beiden ersten WEC-Saisonläufen. Sowohl in Silverstone als auch in Spa-Francorchamps, lachte das Trio jeweils als Gesamtdritter vom Podest. Dass das Schwesternauto von Nick Heidfeld, Nelson Piquet jr. und Nicolas Prost beide Male Vierter wurde, untermauert die aktuelle Stärke des Teams.

Rebellion profitierte 2016 massiv von Problemen und Scharmützeln der großen Hersteller, Foto: Adrenal Media
Rebellion profitierte 2016 massiv von Problemen und Scharmützeln der großen Hersteller, Foto: Adrenal Media

Der Rebellion R-One AER läuft wie ein Uhrwerk, während Porsche, Audi und Toyota mit technischen Macken zu kämpfen haben oder sich gegenseitig in die Autos fahren. Ein Umstand, auf den Kraihamer auch in Le Mans hofft. "Ich gehe davon aus, dass die Hybrid-Autos der LMP1 über die vollen 24 Stunden sicherlich Probleme bekommen werden. Und genau dann werden wir da sein", richtet er eine Kampfansage an die prominente Konkurrenz.

Audi beteuert: Autos sind zuverlässig

Audi-Sportchef Dr. Wolfgang Ullrich kosten derlei Ansagen (noch) nur ein müdes Lächeln. "Beim Vortest in Le Mans hatten wir bei einem Auto nicht das geringste Problem und beim zweiten nur etwas, das nichts mit der Zuverlässigkeit zu tun hatte", sagt er im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Der dreifache Le-Mans-Sieger Andre Lotterer pflichtet seinem Chef bei: "Zu Beginn gab es Probleme, aber die hatten wir allesamt schon beim letzten Lauf in Spa im Griff. Jetzt läuft es bei uns."

Doch was für ein 6-Stunden-Rennen gilt, muss noch lange nicht in Le Mans gelten. So räumt Ullrich sehr wohl ein, dass die leistungsstarken, aber komplexen Hybridsysteme der Hersteller anfälliger sind als die bodenständigere Technik der Privat-Konkurrenz von Rebellion. "Die Fahrzeuge sind sehr komplex und je mehr komplexe Teile man in einem Auto hat, umso größer ist die Chance, dass etwas nicht so funktioniert, wie es soll."

"Auszuschließen ist in Le Mans ohnehin nichts. Klar ist aber in jedem Fall: Wenn ein Hybrid-Auto zu einer größeren Reparatur an die Box kommen muss, dann ist das im Regelfall nichts, was man in zwei oder drei Runden erledigt hat", so Audis Sportchef. Auch für die Fahrer und vor allem deren Techniker bedeuten die leistungsstarken Hybrid-Biester oft rauchende Köpfe.

"Das Feedback an die Ingenieure ist sehr schwierig geworden, weil im Auto so viele Systeme zusammenspielen", führt Lotterer aus. "Das geschieht teilweise dynamisch, sodass ich als Fahrer nicht genau zuordnen kann, ob jetzt dieses System oder jenes für schlechtes Fahrverhalten sorgt. Erst wenn man sich dann die exakten Daten ansieht, kann man sich einem Problem annähern. So gesehen ist dieser Teil der Arbeit als Fahrer deutlich schwieriger geworden." Die private Konkurrenz freut dieser Umstand natürlich. Und vielleicht schlägt auch in Le Mans ein David den ein oder anderen Goliath.