In Le Mans lernt man nie aus. Diese Erfahrung durfte das hocherfahrene Joest-Team bei der diesjährigen Ausgabe des Klassikers an der Sarthe machen. Spätestens am Sonntagmorgen war der Angriff auf den Sieg für die Sieger von 2014, Marcel Fässler, Andre Lotterer und Benoit Treluyer, zu einem Ende gekommen, als an ihrem Audi R18 e-tron quattro die Motorabdeckung kollabierte. Den Grund dafür hat Audi noch nicht finden können. Doch schon zuvor hatte das Audi Sport Team Joest einige Dinge erlebt, mit denen man so nicht gerechnet hat.

Viele Experten rechneten mit einem Angriff des Fahrzeugs Nummer 7 in der Nacht auf den führenden Porsche Nummer 19. Doch überraschenderweise konnte der 919 Hybrid von Nico Hülkenberg, Earl Bamber und Nick Tandy seine Führung in der Dunkelheit konsolidieren. Audi hat dafür nun zwei Gründe gefunden.

  • Die Temperatur fiel nachts nicht weit genug, so dass Audi auf den Einsatz eines speziellen Reifens für die Nacht verzichten musste
  • Porsche fuhr statt 14-Runden-Stints nur 13 Runden und betrieb Short Fuelling
Dunkelziffer: Audi verlor bei Nacht mehr Zeit als Porsche, Foto: Audi AG
Dunkelziffer: Audi verlor bei Nacht mehr Zeit als Porsche, Foto: Audi AG

Nacht-Pace aus mehreren Gründen zu langsam

Gegenüber Motorsport.com gab Gade zu: "Als es dunkel wurde, war es wärmer als in den letzten Jahren und auch als wir gedacht hätten. Es ist nie unter 17 bis 18 Grad gegangen. Das hat uns ein bisschen überrascht, weil wir kühlere Temperaturen erwartet hatten." So sei die Crossover-Temperatur für die nächst-weichere Gummimischung nicht erreicht worden und Audi musste mit dem härteren Michelin-Tagespneu Vorlieb nehmen. Andererseits sorgten die Verhältnisse auch dafür, dass Audi die bevorzugten Fünffachstints nur selten fahren konnte. "Man muss den Verschleiß im letzten Stint gegen die Zeit für einen Reifenwechsel abwägen", so die Engländerin.

Allerdings will sich Gade damit nicht zufriedengeben: Mehr muss geschehen sein, und das tüftelt Audi noch aus: "Wir haben viele Performance-Analysen vorgenommen und hängen noch immer über offenen Fragen. Wir müssen herausfinden, warum Porsche nicht in dem Maße bei Nacht langsamer geworden ist wie wir. Alle sind bei Nacht langsamer geworden, aber unser Delta ist größer gewesen." Ihre Vermutung: Es gab mehr als den Faktor Temperatur. "Wir haben auch bereits eine Idee, wo der Rest begraben sein könnte, aber wir müssen die Daten detaillierter analysieren, um es zu finden."

Die Überraschung gelang: Porsche verkürzte Stints erwischten Audi auf dem falschen Fuß, Foto: Sutton
Die Überraschung gelang: Porsche verkürzte Stints erwischten Audi auf dem falschen Fuß, Foto: Sutton

Porsche-Strategie eine dicke Überraschung

Ein weiterer Faktor war die Herangehensweise von Porsche: "Es hat uns ziemlich überrascht, dass sie nicht auf 14 Runden gegangen sind, aber man kann klar erkennen, warum sie diese Herangehensweise gewählt haben." Das Porsche Team nutzte die maximale Reichweite des 919 Hybrid nicht aus, sondern entschied sich, die Zeit an der Box zu sparen, indem die Tanks nicht komplett aufgefüllt wurden.

Das ergab mehrere Vorteile vor allem hinsichtlich der Reifennutzung. Porsche hatte auf diesem Gebiet bei den WEC-Läufen in Silverstone und Spa-Francorchamps deutliche Defizite. Durch die Runde weniger mussten die Reifen in einem Vierfachstint vier Runden weniger zurücklegen, was mehr als 50 Kilometern entspricht. Zudem wurde durch die geringere Spritmenge das Fahrzeug leichter, was die Reifen nochmals weniger beanspruchte. Für Audi stellte sich die Frage nach 14 Runden gar nicht erst. Da die R18 e-tron quattro in einer kleineren Hybridklasse gemeldet sind, ist die Reichweite geringer. "Und auf zwölf Runden geht man nur, wenn man einen großen Vorteil daraus zieht."

Morgen-Defekt: Mehr als kaputte Motorabdeckung

Die anderen Audi R18 e-tron quattro fielen früh zurück, Foto: Speedpictures
Die anderen Audi R18 e-tron quattro fielen früh zurück, Foto: Speedpictures

Um 7 Uhr morgens war das Thema Sieg für Audi endgültig erledigt, als sich die Motorhaube an Fahrzeug Nummer 7 in ihre Bestandteile auflöste. Gade konnte den Grund noch nicht benennen: "Wir untersuchen das noch. Es war kein simpler Fall einer kollabierenden Motorabdeckung; es hat uns weitere Probleme eingebracht, die uns da gezwungen haben, für sieben Minuten zu stoppen."

Dieser Boxenstopp ebnete den Weg zum Porsche-Doppelsieg endgültig. "Ein Problem wie dieses wirft einen aus dem Kampf heraus", so Gade. "Eine Ausnahme war das letzte Jahr, als alle Probleme hatten. Aber wenn das führende Auto keine Probleme hat, kann man das Rennen so nicht gewinnen." Fässler, Lotterer und Treluyer wurden letztlich Dritte. Als Trost bleibt die WM-Führung und die Tatsache, dass der siegreiche Porsche im WM-Kampf gar keine Rolle spielt, weil er nicht mehr zum Einsatz kommen wird.