Das Qualifying in Le Mans ist Geschichte und die erste Reihe wird von Toyota und Porsche besetzt. Das macht sich schön in den Pressemeldungen, doch viel wert ist das bekanntlich in einem 24-Stunden-Rennen nicht. Wie also sieht es über die Distanz aus? Durch die vielen roten Flaggen in den ersten beiden Sessions wurde die Vorbereitung nachhaltig beeinträchtigt und es konnten bei weitem nicht so viele Longruns abgespult werden wie die Hersteller es vermutlich gern gehabt hätten. Keiner drei der LMP1-H-Hersteller wagte mehr als 13 Runden am Stück, doch eine 14. Runde sollte wenigstens für Porsche und Toyota zumindest möglich sein. Ob sie Sinn macht, ist eine andere Frage.

Audi: Nicht allzu weit weg

Benoit treluyer zeigte einen beeindruckenden 13-Runden-Stint, Foto: Speedpictures
Benoit treluyer zeigte einen beeindruckenden 13-Runden-Stint, Foto: Speedpictures

Bisher zeigte sich insbesondere das Fahrzeug mit der Startnummer 3, das nicht regulär in der Langstrecken-Weltmeisterschaft startete, von den Spitzenzeiten her am stärksten. Marco Bonanomi, Filipe Albuquerque und Oliver Jarvis können sich mit guten Leistungen als Vollzeitangestellte für ein WEC-Cockpit bewerben, ähnlich wie es Lucas di Grassi im vergangenen Jahr gelang. Besonders hervorzuheben ist ein 13-Runden-Stint von Jarvis im freien Training. Der frühere DTM-Pilot fuhr dabei in der elften Runde eine 3:24er-Zeit. Im Nacht-Qualifying am Donnerstag gelang Filipe Albuquerque ebenfalls ein 13-Runden-Stint, wobei sich die Zeiten größtenteils unter 3:30 bewegten.

Das leidgeplagte Nr.1-Auto war da noch deutlich langsamer in einem 13-Runden-Stint von Marc Gene, doch das ist auf zweierlei Gründe zurückzuführen: Gene kam ohne Training aus einem LMP2 in den R18 und das Fahrzeug selbst war gerade erst wieder neu aufgebaut worden. Dennoch: Gene muss scheinbar erst einmal mit durchgeschleppt werden. Beeindruckend hingegen war ein 13-Runden-Longrun von Benoit Treluyer in der letzten Session: Aus dem Stand heraus war keine Runde schlechter als 3:29.2. In der elften Runde dieses Runs fuhr Treluyer auch noch in 3:24.729 Minuten die schnellste Zeit des Fahrzeugs in jener Session.

Audi verzichtete auf übertriebene Zeitenjagden und scheint sich in der Rolle des Jägers wohlzufühlen, nachdem das Joest-Team in der Vergangenheit immer wieder die Bürde des Favoriten tragen musste. Die Zeiten liegen dabei fast auf Augenhöhe mit Toyota - die vier Ringe abzuschreiben wäre ein fataler Fehler. Mit der homogenen Besatzung Andre Lotterer, Benoit Treluyer und Marcel Fässler ist die Nummer 2 durchaus in der Lage, der japanisch-kölschen Allianz gefährlich zu werden. Dabei wird es auch davon abhängen, ob Toyota 14 Runden schafft. Audi ist wegen der Festlegung auf die 2MJ-Klasse auf 13 Umläufe festgenagelt.

Der Sieg geht nur über Toyota

Joker Davidson: Der Engländer fuhr im Longrun gleich zweimal 3:23er-Zeiten, Foto: Sutton
Joker Davidson: Der Engländer fuhr im Longrun gleich zweimal 3:23er-Zeiten, Foto: Sutton

Kazuki Nakajima und Sebastien Buemi waren die Pacesetter für Toyota. Die Pole sollte hier erzwungen werden - in der Abschlusssession wurden keine Longruns mehr gefahren. Diese hatte Toyota nämlich bereits im freien Training und zweiten Qualifying gefahren. Aus dem Stand heraus drehte in der Eröffnungssession Stephane Sarrazin einen 13-Runden-Stint, Nakajima folgte mit derselben Distanz. Dabei sieht Toyota aber nicht so überlegen aus wie es den Anschein macht: Zwar war Nakajima mit 3:24.291 Minuten eine halbe Sekunde schneller als Benoit Treluyer, aber bei weitem nicht so konstant. Sarrazin rutschte bei freier Bahn gleich viermal über 3:29.

Sehr beeindruckend sah Anthony Davidson im zweiten Toyota aus, der in einem 10-Runden-Stint gleich zwei 3:23er-Zeiten fahren konnte. Seinen Teamkollegen Nicolas Lapierre und Sebastien Buemi gelangen solche Kunststücke nicht. Auffällig ist, dass der Toyota mit der Nummer 8 während aller Sessions maximal zehn Runden am Stück fuhr, hier wurde scheinbar mit dem Setup experimentiert. Insgesamt ist Toyota bei der Longrun-Pace eine Nasenlänge gegen Audi voraus, aber das ist so wenig, dass alleine schon der Verkehr das wieder kompensieren könnte. Es wird ein harter Kampf werden.

Wie stark ist Porsche wirklich?

Wenn etwas für Porsche spricht, dann die Reichweite, Foto: Sutton
Wenn etwas für Porsche spricht, dann die Reichweite, Foto: Sutton

Während Audi und Toyota mit langen Stints beeindruckten, spielte Porsche Verstecken: Mehr als sieben Runden am Stück legte keiner der 919 Hybrid in sämtlichen Sessions zurück. Rückschlüsse auf die Rennpace lassen sich kaum anstellen, denn auch das Porsche Team startete einen wahren Sturmlauf auf die Pole Position mit mehreren kurzen Runs mit nur zwei gezeiteten Runden. Scheinbar wollte man unbedingt beim Comeback die Pole Position nach Weissach holen. Romain Dumas war in der Nummer 14 der Pace-Mann, Timo Bernhard und Brendon Hartley gingen in der Nummer 20 auf Zeitenjagd.

Der Blick auf die siebenründigen Stints in der freien Trainingssession offenbart scheinbar Katastrophales: Die Mehrzahl der Runden lag über 3:30. Doch Porsche hatte dort Experimente beim Setup versucht und das Auto dann zurückgebaut. In den Qualifying-Sessions folgten aber keine Longruns mehr. Doch auch so sieht es erst einmal nicht gut aus: Die schnellste Runde des langsamsten Fahrers auf den beiden 919ern liegt auch in den weiteren Sitzungen im Bereich um 3:27.0 (Marc Lieb: 3:26.932, Mark Webber: 3:27.170).

Um das einmal einzuordnen: Die schnellsten Rundenzeiten des langsamsten Fahrers (Marc Gene einmal ausgeklammert) lagen bei Toyota und Audi im 3:25er-Bereich, und auch hier gingen nicht alle Fahrer auf Zeitenjagd. Hat Porsche über die Distanz also ein Problem? Nicht unbedingt: Sollten die Sieben-Runden-Stints mit vollem Tank begonnen worden sein, hatten die Fahrer gar nicht erst die Chance, ein leichtes Auto am Ende des Stints zu pilotieren. Hierdurch wird das Bild verzerrt. Einen Vorteil hat Porsche auf seiner Seite: Den 919 Hybrid wird nach dem WEC-Rennen in Spa am ehesten zugetraut, eine 14. Runde zu schaffen.