Die Ehre der Jungfernfahrt gebührte dem deutschen Nismo Werksfahrer Michael Krumm; als Bühne diente das Wochenende des zur FIA World Endurance Championship zählenden Rennens auf dem Fuji Speedway. "Es war wie in einer anderen Welt", sagte der gebürtige Reutlinger nach der ersten Ausfahrt. "Sogar die Knöpfe am Lenkrad waren anders als sonst von mir gewohnt. Es waren zwar noch relativ langsame Demo-Runden. Doch den Biss im Auto konnte ich schon spüren. Die Fahrt hat im Vergleich zu dem von mir bereits gefahrenen Tourenwagen Leaf Nismo RC nochmal mehr Spaß gemacht. So ein Elektro-Antrieb gibt Dir ein ganz neues Gefühl, vor allem, wenn Du in einem hautengen Le Mans-Cockpit sitzt. Und der Nissan ZEOD RC hat anders als sonstige Elektroautos ein richtiges Renngetriebe, das wie bei einem konventionellen Rennwagen mit dem Antrieb verbunden ist."

Bereits weiterentwickeltes Design mit neuen Aerodynamikteilen und Kühllufteinlässen

Mit den ersten Runden Krumms am Fuß des Heiligen Berges Mount Fuji hat Nissan den Countdown für den Start bei den 24 Stunden von Le Mans 2014 eingeläutet. Nur 33 Wochen, nachdem Nissan CEO Carlos Ghosn die Rückkehr der Marke zum berühmtesten Langstreckenrennen der Welt verkündet hatte. Bei dem von Fans und Insidern mit Spannung erwarteten Debüt präsentierte sich der ZEOD (für: Zero Emission On Demand) RC bereits in einem weiterentwickelten Design - inklusive neuer Kühleinlässe und aerodynamischer Modifikationen. Das nun anstehende Test- und Entwicklungsprogramm hat Nissan neben Michael Krumm dem ersten GT Academy-Sieger von 2008, Lucas Ordonez, übertragen.

"Das Wochenende des FIA World Endurance-Rennens in Fuji war ein bedeutender Meilenstein auf unserer Reise nach Le Mans", betont Nissan Motorsportdirektor Darren Cox. "Wir hätten uns keinen besseren Ort vorstellen können, um den Schleier vom ZEOD RC zu lüften." Dem Debüt auf der Rennpiste war am Donnerstag zuvor die offizielle Enthüllung am Nissan Konzernsitz in Yokohama vorausgegangen. Aus diesem Anlass sagte Nismo Präsident Shoichi Miyatani: "Der ZEOD RC nutzt Technologien, die wir bereits bei der Entwicklung des Nissan LEAF Nismo RC eingesetzt haben - dem ersten Elektrorennwagen auf Basis eines in Großserie produzierten Zero Emission-Modells. Das im LEAF Nismo RC eingesetzte Energie-Management und das System zur Bremsenergierückgewinnung haben das Potenzial für den erfolgreichen Einsatz im Motorsport."

Der Nissan ZEOD RC wird aus der sogenannten Garage 56 starten. Eine Art Wild Card des Le Mans-Veranstalters ACO für Teilnehmer mit alternativen Antriebskonzepten. Nissan verfolgt das Ziel, als erster Konstrukteur eine Runde auf dem 13,6 Kilometer langen Kurs rein elektrisch zurückzulegen. Auf den Geraden sollen dabei Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h erreicht werden. Das Aufladen der Batterien - sie entsprechen jenen aus dem Nissan LEAF - erfolgt über ein regeneratives Bremssystem, bei dem die beiden Elektromotoren im Heck des ZEOD RC die Funktion von Generatoren übernehmen. "Dabei versuchen wir so viel Energie wie möglich von den Hinterrädern zu gewinnen, um die Batterien nachzuladen und die nächste rein elektrische Runden anzugehen", sagt Ben Bowlby, Nissan Direktor für Motorsport-Innovationen. "Die Aufgabe des Fahrers wird es sein, so spät wie möglich zu bremsen und schnelle Rundenzeiten hinzulegen. Er und wir als Team werden lernen, wie man die Elektrokraft strategisch am besten einsetzt." Denn als zweiten Antriebsmotor verfüge der ZEOD RC über einen per Knopfdruck am Lenkrad zuschaltbaren und sehr leichten Benziner mit Turboaufladung.

Das Cockpit entspricht bereits dem 2014er-Reglement für ein LMP1-Modell

Das DeltaWing-Design könnte für juristischen Trubel sorgen, Foto: Nissan
Das DeltaWing-Design könnte für juristischen Trubel sorgen, Foto: Nissan

"Der Nissan ZEOD RC wird zuvor niemals in Le Mans eingesetzte Technik an den Start bringen und den Fans ein ganz neues Erlebnis bieten", kündigt der Brite an. "Es ist schon etwas Besonderes, wenn ein Auto die Mulsanne-Gerade mit 300 km/h nahezu lautlos durcheilt." Ein spezieller Hinweis ist Bowlby auch der bereits von Michael Krumm gelobte Arbeitsplatz des ZEOD RC-Fahrers wert: "Das Cockpit entspricht in punkto Abmessungen und Crashtest-Vorschriften bereits den 2014er Regularien für ein LMP1-Fahrzeug", erklärt er mit stolzem Unterton.

Der Start von Nissan bei den 24 Stunden von Le Mans 2014 ist Teil eines Plans zur fest eingeplanten Rückkehr der Marke in die LMP1-Klasse. Mit Blick auf das Comeback in die Königsklasse des Langstrecken-Sports erhofft sich Nissan vom ZEOD RC wertvolle Erfahrungen, die dann in die Entwicklung des neuen LMP1-Modells fließen können. Aber auch Großserien-Modelle wie der Nissan LEAF und andere künftige E-Modelle für die Straße sollen vom Technologietransfer profitieren.

Knifflige Aufgabe für Reifenpartner Michelin: Die nur zehn Zentimeter breiten Vorderreifen

Auch für den Reifenpartner Michelin bedeutet das Nissan ZEOD RC-Programm eine neue Herausforderung. Serge Grisin, Direktor der 4 Wheels Racing-Abteilung der Franzosen, sagt: "Die schwierigste Aufgabe sind sicher die Vorderreifen - denn ihre Laufflächen sind nur zehn Zentimeter breit, statt 20 Zentimeter bei einem echten LMP-Fahrzeug. Wir haben also einen zugleich leichteren wie kleineren Reifen, wollen aber keine Einbußen beim Grip-Faktor und bei der Haltbarkeit erleiden." Für die Antriebachse wählte Michelin einen 40 Zentimeter breiten 15-Zoll-Pneu - ein Format, das deutlich näher an den üblichen Bereifungen für Le Mans-Rennwagen liegt. "Die Kunst besteht für uns darin, die Reifengrößen und -mischungen an die spezielle Architektur des ZEOD RC anzupassen und dabei vor allem die Gewichtsverteilung und die aerodynamischen Bedingungen im Auge zu behalten", so der Reifen-Experte. "Am Ende lockt die Aussicht, durch die mit Nissan gemachten Erfahrungen noch effizientere Michelin-Reifen für künftige Straßenautos mit Elektroantrieb zu entwickeln."